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Wahnsinn, der das Herz zerfrisst

Wahnsinn, der das Herz zerfrisst

Titel: Wahnsinn, der das Herz zerfrisst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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doch wankt es nicht.
     
    Und als sich alles von mir kehrte,
    Fand ich es immer so bei dir;
    Bleibt solch ein Herz mir, ist die Erde
    Doch keine Wüste, selbst nicht mir.
     
    Das würde sie den beiden niemals verzeihen. Annabella legte in einem unvermuteten Schwächeanfall den Kopf in die Arme und weinte. Was war denn an Augusta, daß man sie ihr vorziehen konnte? Warum hatte diese Augusta sie um die Liebes ihres Gatten gebracht? Was schrieb Byron? Nicht etwa eine Entschuldigung oder ein Reuebekenntnis, nein, in seinem letzten Brief hieß es nur:
     
    Ich habe gerade von Augusta Abschied genommen… das einzige unerschütterte Band meines Lebens - wohin immer ich gehen mag - ich werde weit gehen – u & ich können uns nie wieder in dieser Welt begegnen - noch in der nächsten - laß das sein, wie es will… Deswegen sage ich - sei freundlich zu ihr & den ihren - denn nie hat sie auf andere Weise Dir gegenüber gehandelt oder gesprochen - sie war immer Deine Freundin - das mag wertlos für jemanden erscheinen, der so viele hat: - wie auch immer, sei gut zu ihr & erinnere Dich daran, daß, obwohl es Dir vielleicht zum Vorteil gereichen mag, Deinen Ehemann verloren zu haben - es für sie Schmerz bedeutet, die Wasser jetzt, oder die Erde später zwischen sich & ihrem Bruder zu haben.
    Sie ist gegangen - ich muß nicht hinzufügen, daß sie nichts von dieser Bitte weiß…
     
    Immer Augusta! Ihr analytischer Verstand zwang sie dennoch zu der Schlußfolgerung, daß die Beweise, die sie gegen die Geschwister zu haben glaubte, unzureichend waren. Byron konnte, wenn der erste Schock einmal abklang, auf die Idee kommen, seine Tochter Augustas Vormundschaft anvertrauen zu lassen.
    Das königliche Gericht könnte einwilligen, wenn es nur den geringsten Zweifel an Augustas Schuld gab. Dagegen mußte sie sich absichern.
    Sie brauchte einen klaren, unwiderlegbaren und unmißverständlichen Beweis. »Sei gut zu Augusta«! Hier war eine Ansatzmöglichkeit. Annabella wußte, daß Augustas Position als Hofdame nur noch an einem hauchdünnen Faden hing. Ein Wunder, daß man sie nicht schon längst entlassen hatte. Und sie steckte wie immer in finanziellen Schwierigkeiten.
    Annabella dagegen war durch ihre Mutter, die im letzten Jahr das immense Vermögen ihres Bruders, Annabellas Onkel Noel, geerbt hatte, für immer finanziell sichergestellt, ganz abgesehen davon, daß die Milbankes ohnehin nicht gerade unter Armut litten.
    Der Weg, eindeutige Beweise in die Hände zu bekommen, konnte nur direkt über Augusta gehen. Annabella lächelte zum erstenmal seit langem zufrieden. Sie holte sich einen frischen Bogen Papier, nahm ihre Feder und brach ihr monatelanges Schweigen Augusta gegenüber.
    Wenige Wochen darauf hielt sie Augustas Antwort in den Händen, weit weniger naiv, demütig und eifrig, als Annabella erwartet hatte, doch sie erfüllte ihren Zweck:
     
    Auf allgemeine Anschuldigungen muß ich in allgemeinen Begriffen antworten, und wenn ich auf meinem Sterbebett läge, könnte ich bestätigen, wie ich es jetzt tue, daß ich ständig an Dich gedacht habe… Keine Schwester hätte jemals den Anspruch auf mich haben können, den Du hattest. Das habe ich gefühlt & nach diesem Gefühl nach meinem besten Urteilsvermögen gehandelt… Mir wurde versichert, daß die öffentliche Meinung sich so sehr gegen meinen Bruder gewandt hat, daß das geringste Zeichen von Kälte von Deiner Seite mir gegenüber mir ungeheuer schaden würde, & ich bin daher um das Wohl meiner Kinder willen verpflichtet, den ›beschränkten Verkehr‹ aus Deinem Mitgefühl heraus zu akzeptieren…
    Meine ›gegenwärtigen unglücklichen Verhältnisse‹ - ! Ich habe in der Tat genug äußeren Grund, um einen zusammenbrechen zu lassen, aber inneren Frieden, den mir niemand wegnehmen kann. Es kam mir niemals in den Sinn, daß Du anders als in strengster Erfüllung Deiner Pflicht handeln könntest - daher bin ich überzeugt, daß Du das jetzt mir gegenüber tust.

1816-1824
     
    »Es scheint, daß ich in meiner Jugend das größte Elend des Alters erfahren soll. Meine Freunde fallen um mich, und ich muß als einsamer Baum zurückbleiben, längst bevor ich verdorrt bin. Andere Männer können immer bei ihren Familien Zuflucht nehmen; aber ich habe keine Hilfe außer meinen eigenen Gedanken.«
     
    Es regnete, Genauer gesagt, es goß in Strömen. Von den fünf Personen, die sich am Abend des fünfzehnten Juni 1816 in der Villa Diodati am Genfer See zusammengefunden

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