Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wainwood House - Rachels Geheimnis

Wainwood House - Rachels Geheimnis

Titel: Wainwood House - Rachels Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Stoffers
Vom Netzwerk:
seichten Höflichkeiten. Es waren Bemerkungen zum Wetter, Komplimente, die an Verlogenheit kaum noch zu übertreffen waren, und Kalenderweisheiten zu allen Lebenslagen.
    Penelope stellte an einem sonnigen Frühlingstag fest, dass es sich in dem Städtchen viel angenehmer spazieren ließ als in der Hauptstadt. Die Luft war rein und die Straßen leidlich sauber. Tante Mildred merkte an, dass ihr das Gedränge in London schon immer zuwider gewesen war. Der entsetzliche Lärm der Automobile, der Rauch der vielen Schornsteine und diese ungeheure Menschenmenge. Woraufhin ihre Nichte ergänzte, dass in Barrow zumindest niemals die Gefahr bestehen würde, von rastlos dahineilenden Passanten erdrückt zu werden. An dieser Stelle erntete sie von ihrer Tante einen scharfen Blick, den sie mit einem engelsgleichen Lächeln erwiderte. Die beiden Damen passierten die nächste Straßenecke, und Penelope brachte das Thema auf die gelben Spitzen der ersten Krokusse, die sie am Morgen im Garten entdeckt hatte.
    Nachdem fast drei Monate vergangen waren, seit sie von Wainwood aufgebrochen waren, argwöhnte Penelope, dass sie den langen Aufenthalt allein ihrer Tante zu verdanken hatte. Mildred schwelgte förmlich in den vielen Möglichkeiten zur Charakterbildung ihrer Nichte. Inzwischen gab es außer dem Klavierunterricht einmal die Woche Zeichenstunden und jeden zweiten Vormittag französische Konversation. Wenn tatsäch lich einmal ein Nachmittag ungenutzt zu verstreichen drohte, widmeten sie die freien Stunden Penelopes Garderobe. Schnell stellte sich heraus, dass die modebewussteste Frau im ganzen Haushalt die lebhafte Zofe ihrer Tante war. Annabell Higgens verfügte über das Talent, stets das Beste aus dem Aussehen einer Frau zu machen. Sie hatte einen unfehlbaren Blick für Farben und ein stimmiges Maß für Schmuck, Spitze und Rüschen. Darüber hinaus vereinte Annabelle auf unnachahmliche Weise ein angenehmes Temperament mit einer scharfsinnigen Beobachtungsgabe und unterhaltsamem Klatsch.
    »Sie ist unglaublich«, raunte Penelope Jane zu, während Annabelle um Kästchen voller Perlen, Bänder und Besätze herumschwirrte. »Wie eine liebenswerte Ver sion meiner Schwester. Wenn sie jemals den Fängen meiner Tante entkommt, wird sie mit ihrem Gespür für Mode in London ein kleines Vermögen verdienen.«
    Dank ihrer stillschweigenden Komplizenschaft mit Jane fand Penelope den provinziellen Charme von Barrow inzwischen viel erträglicher. Sie hielt sich während der Mahlzeiten mit den Puddings, den Suppen und dem weichen Geflügel zurück, sehr zum Gefallen ihrer Tante, die fand, dass eine junge Frau hart an ihrer eng geschnürten Taille zu arbeiten habe. Als Ausgleich schmuggelte Jane ihr Sandwiches, Pfannkuchen und Scheiben kalten Bratens auf das Zimmer. Julian hatte noch nicht viel über die Namen auf der Liste in Erfahrung bringen können, aber in einem seiner Briefe versprochen, einen spitzfindigen Freund um Hilfe zu bitten. Die beiden Mäd chen tauschten bei ihren konspirativen Treffen nach Mitternacht die Ergebnisse ihrer bisherigen Nachforschungen aus. Sie kamen darin überein, dass Mr Frost genauso viel vor ihnen verbarg wie Feltham, und rätseln darüber, was die »Schatten« zu bedeuten hatten, die den Colonel auf der Fuchsjagd eingeholt hatten. Außerdem ergriff Penelope die Gelegenheit, eine recht anständige Imitation ihrer Tante zum Besten zu geben, bis sie beide kichernd auf dem Bett lagen. Sobald die Lampe wieder gelöscht war, begann Jane von Ägypten zu erzählen, von den Pyramiden und dem schlammigen Ufer des Nils, von den Sternen über der Wüste, den Zelten der Nomaden und den verwinkelten Basaren.
    Ein weiterer Lichtblick in Pennys Exil war Lord Nyles, der für das ganzen Haus ein Thema von lebhaftem Interesse war. Tante Mildred verwendete jede Woche viel Zeit darauf, ihre Korrespondenz zu pflegen. Sie verfasste unzählige Briefe und erhielt ebenso viele zurück, die allesamt nur einem Ziel dienten, über den neuesten Klatsch auf dem Laufenden zu sein. Da sie auch Lord Nyles Mutter zu ihren Freunden zählte, waren die Damen von Barrow bald bestens über jeden seiner Schritte im Bilde.
    Offenbar bereitete der junge Mann seiner Mutter auch nach seiner Rückkehr beständig Sorgen. Es hatte eine Wette gegeben, die dazu geführt hatte, dass ihn ein Constable eines Morgens am Rande des St. James Park in London aufgegriffen hatte, angetan mit nichts anderem als einer besonders geschmackvollen langen Unterhose, einem

Weitere Kostenlose Bücher