Wainwood House - Rachels Geheimnis
als Anhaltspunkt gegeben!« Die Spitzen von Maurice’ Zeigefingern tippten in einem Stakkato aneinander. Sonst saß er vollkommen still. »Es gibt ein Register bei der Armee, auch die Times hat ein hervorragendes Archiv.«
Julian starrte auf das saubere Blatt Papier, auf dem in Pennys ordentlicher Mädchenhandschrift die Na men und Zahlen aufgelistet waren, die Maurice derart zu denken gegeben hatten. Sein Freund war einer der müßigsten Menschen, die Julian kannte, außer wenn er eine Aufgabe witterte, die seiner Aufmerksamkeit tatsächlich wert war. »Du hast diesen Aufwand doch nicht aus reinem Pflichtgefühl oder zum Zeitvertreib auf dich genommen«, schlussfolgerte Julian. »Du hattest von Anfang einen Verdacht!«
Maurice schnalzte tadelnd mit der Zunge. »Dein Misstrauen kränkt mich«, behauptete er ungerührt. »Ich hätte dir auf jeden Fall geholfen. Ich habe aber tatsächlich eine Ahnung. Wenn diese Zahlen Geldsummen darstellen und diese Namen zu Politikern gehören, zu Männern der Armee und zu solchen, die ein Vermögen durch Rohstoffe oder Handelswege gemacht haben, dann stellen sie eine enorme Macht im Schatten dar.«
Julian begriff, dass es eine abstrakte Größe war, über die sie hier sprachen. Die Art von Einfluss, zu dem einem Geld und Ansehen verhelfen kann. »Reden wir gerade über politische Macht oder über militärische?«, fragte er.
»Viel besser«, behauptete Maurice, »über wirtschaftliche! Unsere Familien mögen in ihrer naiven Überheblichkeit auf die Geschäftsleute herabsehen, aber mit diesen Menschen erhebt sich eine Macht, die unsere Welt prägen wird wie keine andere vorher. Wir haben doch längst Kriege geführt, die nur Englands Wirtschaft dienten! Aus Aktiengeschäften können über Nacht neue Vermögen entstehen, nur um am nächsten Tag wieder verloren zu gehen. Und ein Politiker braucht nicht zuletzt viel Geld, um sich einen Namen zu machen.«
»Also ist die Macht der Wirtschaft eine Art Strömung, die Politiker und Armeen in Bewegung setzt wie Schiffe auf dem Meer?«, fasste Julian die kleine Rede seines Freundes zusammen.
»Genau! Sie verschafft den Armen Arbeit und den Reichen immer mehr Geld. Sie forscht nach neuen Handelswegen. Sie bezahlt die Entwicklung von neuen Erfindungen. Und vor allem anderen versorgt sie die Engländer mit den Gütern, die wir alle schätzen. Tee und Schokolade, Zigaretten und Seide, Porzellan und Parfüm. Der Einfluss der Wirtschaft auf die Politik sollte nicht unterschätzt werden«, sagte Maurice ungewohnt ernst.
»Und du bist aufgrund dieser Liste davon überzeugt, dass jemand den Einfluss der Wirtschaft benutzt?«, fragte Julian und sah auf das Blatt Papier, ohne es zu berühren. Obwohl die Pastete verlockend duftete und der Wein nach einem späten Sommer, Erde und frisch geschlagenem Holz roch, hatte er plötzlich keinen Appetit mehr.
»Ich glaube, jemand versucht, durch Geld und Investitionen, durch Schulden und Aktien Abhängigkeiten zu schaffen«, präzisierte Maurice seine Gedanken »Vor etwa dreißig Jahren wurde Ägypten finanziell ruiniert. Der Bau des Suezkanals hatte Unsummen verschlungen und seine Fertigstellung war von enormer strategischer Bedeutung. Die Männer auf der Liste sind Geschäftsleute und Politiker aller Lager. Auch ein paar Offiziere, Journalisten und Wissenschaftler sind darunter. Es sieht so aus, als wäre viel Geld geflossen. Das bedeutet Schuldscheine, Darlehen und Bestechungen. Irgendjemand hat einen ungeheuren Einfluss durch die Menschen auf dieser Liste gewonnen.« Er tippte mit den Fingern auf das Papier.
Julian wurde in dem dämmrigen Zimmer einen Moment lang schwindelig bei der Vorstellung, dass Menschen, die bereits vor über zwanzig Jahren so viel Reichtum und Einfluss besessen hatten, nun hinter ihnen her waren! Und er konnte im Leben nicht sagen, was diese astronomischen Zahlen mit dem leibhaftigen Horus auf dem Dachboden zu tun hatten oder mit der Prozession, die vor Jane Swains Augen in der ägyptischen Grabanlage erschien.
Maurice’ Stimme riss ihn aus seinen Überlegungen. »Jules, woher hast du diese Liste?«
Obwohl dieses Geheimnis nicht seines war, fühlte Julian sich verpflichtet, seinem Freund eine ehrliche Antwort zu geben. »Eine Verwandte hat sie vor zwanzig Jahren in Ägypten erhalten. Sie wurde in Kairo ermordet, bevor sie nach England zurückkehren konnte. Diese Liste war in ihrem Nachlass versteckt.«
Er las in Maurice’ Blick, dass sein Freund weder von dem Mord
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