WAKE - Ich weiß, was du letzte Nacht geträumt hast (German Edition)
Ewigkeit, bis sie wieder sehen kann. Wieder fühlen kann. Panisch setzt sie sich auf, greift nach ihm.
Carl sitzt vornübergebeugt, den Kopf in den Händen.
Er zittert. Zornig wendet er sich ihr zu, fragt heiser: »Was zum Teufel ist los mit dir?«
Janie weiß nicht, was sie sagen soll.
Sein stiller Zorn lässt die Sitze erbeben.
10:05 Uhr
Carl spricht nicht mit ihr, bis sie in Stratford ankommen. Dort sagt er nur barsch: »Viel Glück«, steigt aus dem Bus und geht in sein Hotelzimmer.
Janie sieht ihm nach. Sie schließt die Augen, öffnet sie wieder und folgt den Cheerleadern in die andere Richtung zu ihrem Zimmer.
Dort angekommen nehmen sie keine Notiz voneinander. Darin ist Janie ziemlich gut.
14:00 Uhr
Die Schüler treffen sich in der Hotelhalle. In dreißig Minuten fängt Camelot an. Janie steigt erschöpft in den Bus und setzt sich wieder in die letzte Reihe.
Carl taucht nicht auf.
14:33 Uhr
Das Stück fängt an. Janie verschwindet von ihrem Sitz im Parkett und findet einen Platz auf dem fast leeren Rang. Dort schläft sie fast drei Stunden tief und fest und wird erst in der Schlussszene wach, schleicht leise zurück zum Parkett und geht mit den anderen zum Bus.
18:01 Uhr
Der Bus hält am Pizza Hut. Sie haben eine Stunde Zeit zum Essen, bevor sie für die Abendvorstellung zurückfahren.
Janie nimmt sich eine große Pizza zum Mitnehmen, isst sie im Bus und schläft. Schläft während des ganzen Stückes hinten im Bus.
Es scheint niemandem aufzufallen, dass sie gar nicht ausgestiegen ist.
23:33 Uhr
Der Bus kommt mit den größtenteils erschöpften Schülern wieder am Hotel an. Janie fällt aufs Bett. Sieist völlig gefühllos, aber nicht von fremden Träumen. Diesmal nicht. Sie denkt an Carl. Weint im Dunkeln leise in ihr Kissen. Die Lüftungsschlitze der Heizung brummen laut. Savannah, Captain der Mädchenfußballmannschaft, lässt sich neben ihr aufs Bett fallen. Schweigend liegen sie am äußersten Rand ihres Bettes.
15. Oktober 2005, 01:04–06:48 Uhr
Janie springt von einem Traum in den anderen.
Savannah träumt davon, es in die Nationalmannschaft von Amerika zu schaffen und die legendäre Mia Hamm zu treffen, obwohl diese längst nicht mehr aktiv ist. Welche Überraschung – dieser Traum könnte glatt eine Szene aus Lizzie McGuire sein. Gerade als sich Janie fragt, ob Savannah überhaupt irgendwo das kleinste bisschen Tiefgang hat, wendet sich ihr Traum Kyle zu, dem Jungen, der im Bus vor Janie gesessen hat. Interessante Kombi. Janie ist neugierig.
Bis sie zu Melindas Traum überspringt.
Melinda träumt – keine Überraschung – von einem flotten Dreier mit Shay Wilder, die im Bett neben ihr liegt, und Carrie. Zuerst ist es normaler Sex, dann wird es Janies Meinung nach unglaublich eklig. Die Körper von Carrie und Shay sind, um es krass auszudrücken, völlig außer Form geblasen. Zum ersten Mal schafft es Janie, sich in einem fremden Traum abzuwenden.
Sie rechnet es sich als großen Sieg an.
Und dann Shay.
Shay träumt von Carl Strumheller.
Ziemlich viel.
Und auf ziemlich unterschiedliche Weise.
Morgens hasst Janie Shay aus ganzem Herzen. Und hat tiefe dunkle Ringe unter den Augen.
08:08 Uhr
Shay, Melinda und Savannah gehen zum Frühstück. Die Morgenvorstellung beginnt um 10 Uhr.
»Wir sehen uns im Bus«, sagt Janie, obwohl sie fast verhungert. Die anderen Mädchen machen sich nicht die Mühe, ihr zu antworten. Janie verdreht die Augen.
Sie duscht, wickelt sich ein Handtuch um den Kopf und fällt wieder ins Bett, stellt den Wecker auf 12 Uhr mittags. Der Bus wird das Gepäck und die Schüler, die die Matinee nicht sehen wollen, um eins abholen.
08:34 Uhr
Zum zweiten Mal in ihrem Leben träumt Janie. Sie träumt, dass sie allein in einem dunklen See ertrinkt. Carl steht mit einem Seil am Ufer, aber er wirft es ihrnicht zu. Sie winkt ihm panisch, er kann sie nicht sehen. Langsam versinkt sie im Wasser. Unter Wasser sieht sie noch andere. Babys, Kinder, Teenager, Erwachsene. Sie treiben alle knapp unter der Oberfläche, aber keiner kann ihr helfen.
Weil sie alle tot sind.
Ihre Augen quellen hervor.
Als der Wecker klingelt, schreit sie. Das Handtuch ist ihr vom Kopf gefallen, ihr Haar hängt wild verstrubbelt vor ihrem Gesicht. Sie kann nicht hindurchsehen.
Es klopft heftig an der Tür.
Er ist es.
Mit einer Tüte voller Essen.
Er sieht traurig aus.
Er schiebt sich an ihr vorbei ins Zimmer, schließt die Tür
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