WAKE - Ich weiß, was du letzte Nacht geträumt hast (German Edition)
ein paar Zentimeter herunter.
»Es tut mir leid, Janie«, sagt er.
Er heult.
Geht wieder ins Haus.
Janie sitzt sechsunddreißig Minuten lang im Auto, frierend und mit sich selbst hadernd.
Denn auch sie glaubt, dass sie ihn liebt. Und es gibt im Moment zwei Arten, sich dabei zum Narren zu machen.
Sie wählt die schwerere.
Und klopft an die Tür.
Als er öffnet, telefoniert er schon wieder. Seine Augen sind rot gerändert. »Ich werde es versuchen«, sagt er und legt auf. Steht einfach da und sieht beschissen aus.
»Lass uns das noch mal versuchen«, sagt Janie zornig, die Hände in die Hüften gestemmt. »Mit wem hast du da gerade telefoniert, Carl?« Ihre Worte schneiden durch die kalte Luft.
»Mit meinem Boss.«
Einen Moment lang ist sie aus der Fassung gebracht. »Du meinst deinem Dealer? Deinem Zuhälter?« Der Sarkasmus hallt im düsteren Haus wider.
Er schließt die Augen. »Nein.«
Sie bleibt stehen, unsicher.
Er öffnet die Augen, nimmt die Brille ab und wischt sich mit dem Ärmel übers Gesicht. Er klingt hoffnungslos. »Besteht irgendwie die Chance«, beginnt er tonlos, »dass du mich begleitest? Mein Boss würde sich gerne mit dir unterhalten.«
Sie blinzelt, wird nervös, fragt: »Warum?«
»Das kann ich dir nicht sagen. Du wirst mir vertrauen müssen.«
Janie macht einen Schritt zurück. Das klingt vertraut, genau darum hat sie ihn auch schon einmal gebeten.
Sie überlegt.
»Ich fahre selber«, sagt sie leise.
16:45 Uhr
Sie folgt seinem Wagen in die Innenstadt. Er biegt auf einen Parkplatz ein, an den Hintereingängen zur Bibliothek,zur Post, zur Polizeiwache, zu Frank’s Bar & Grill, zur Fieldridge-Bäckerei und zu einer kleinen Reihe von Hochhäusern mit Miet- und Eigentumswohnungen. Er parkt den Wagen, sie stellt sich neben ihn.
Er geht auf die Gebäudereihe zu und öffnet mit einem Schlüssel eine unauffällige Tür.
Sie folgt ihm.
Sie gehen eine kurze Treppe hinunter in einen großen Raum, in dem ein Dutzend Arbeitsplätze mit Trennwänden eingerichtet sind sowie ein separates Büro mit geschlossener Tür.
Ein halbes Dutzend Leute schauen auf, als sie eintreten.
»Carl.« Sie nicken ihm zu, einer nach dem anderen. Er nickt zurück und klopft leise an die Bürotür.
Am Fenster steht in schwarzen Buchstaben »Captain Fran Komisky«.
Die Tür öffnet sich, eine Frau mit kupferrotem Haar winkt sie herein. Sie trägt einen Kurzhaarschnitt, der ihr braunes Gesicht umrahmt, ein schwarzes, maßgeschneidertes Kostüm und eine frische weiße Bluse. »Setzt euch«, sagt sie.
Sie setzen sich.
Sie nimmt hinter ihrem mit Papieren übersäten Schreibtisch Platz, auf dem drei Telefone und zwei Computer stehen.
Captain betrachtet die zwei Besucher einen Moment, stellt die Ellbogen auf den Tisch, bildet mit den Fingerspitzen ein Dach und presst sie gegen dieLippen. Um ihre Augen bilden sich die ersten Altersfältchen.
Sie lässt die Hände sinken.
»Nun. Miss Hannagan, nicht wahr? Ich bin Fran Komisky. Alle nennen mich Captain.« Sie beugt sich vor und reicht Janie die Hand. Janie rutscht auf dem Stuhl vor, um sie zu ergreifen.
»Freut mich, Sie kennenzulernen, Captain«, antwortet sie mechanisch, mit einem Blick auf Carl. Er hält die Augen gesenkt.
»Ebenfalls«, erwidert Captain. »Carl, du siehst furchtbar aus. Sollen wir die Sache jetzt gleich bereinigen?«
»Ja, Sir«, sagt Carl.
Janie sieht ihn an und fragt sich, ob er sie absichtlich so nennt. Captain scheint es nicht zu stören.
»Miss Hannagan«, meint sie bestimmt. »Carl hat mir erzählt, er würde lieber seinen Job aufgeben als Sie zu verlieren. Das ist schon ein ziemlicher Kindskopf, muss ich sagen. Aber egal«, fährt sie fort, »da mich diese Aussage in eine ziemliche Zwangslage bringt, habe ich Sie eingeladen, dieses Problem mit uns gemeinsam zu besprechen. Und dabei sollten Sie bedenken, dass ich zum jetzigen Zeitpunkt lieber mein linkes Bein verlieren würde als Carl.«
Janie schluckt. Sie fragt sich, was zum Teufel eigentlich los ist.
Captain sieht Carl an. »Carl sagt, man kann Ihnen ein Geheimnis anvertrauen. Stimmt das?«
Janie erschrickt. »Ja, Ma’am … Sir.«
Captain lächelt, bricht das Eis ein wenig.
»Gut. Sie sind also hier, weil unser lieber Junge hier Sie angelogen hat. Ich habe ihn dazu gezwungen, und jetzt hat er Angst, dass Sie ihm nie wieder ein Wort glauben. Miss Hannagan, denken Sie, Sie können mir vertrauen?«
Janie nickt. Was soll sie auch sonst tun?
»Gut. Es gibt
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