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Wakolda (German Edition)

Wakolda (German Edition)

Titel: Wakolda (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucia Puenzo
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lassen?«
    Yanka nickte und schippte Erde auf die Kiste.
    »Und wenn er sie findet?«
    »Umso besser.«
    Seit Monaten schon wollte Yanka sich an ihm rächen, endlich war der Moment gekommen ... Sie wusste zwar nicht genau, was sie da tat. Sie dachte nie lange über ihr Handeln nach, sondern tat einfach, was ihr in den Sinn kam. Ihre Schwangerschaft schützte sie vor Schlägen. Sie wusste, was ihr blühte; er würde sie anschreien und beschimpfen. Nichts, wovon sie sich nicht wieder erholen könnte. Sie verspürte Genugtuung. Die Beute, die sie dieser Fremden überließ, war einiges wert.
    »Versteck sie gut. Er darf sie nicht entdecken, solange du noch hier bist.«
    Lilith nickte und wickelte Wakolda in das handgestrickte, rosafarbene Deckchen ein, in dem sie Herlitzka bei sich getragen hatte, bedeckte sorgfältig die Holzfüße und die dunklen Haarsträhnen. Sie schaute auf das rosa Bündel auf ihrem Schoß und dachte an Herlitzka. Gewissensbisse beschlichen sie. Dann sah sie zu Yanka hinüber, die sich wieder hingelegt hatte, auf ihrem Siebenmonatsbauch ruhten die erdigen Hände.
    »Kann ich noch mal zurücktauschen?«
    »Nein«, antwortete Yanka und schloss die Augen.
    Lilith kämpfte gegen den Schlaf. Der Gedanke an die unter dem Bett vergrabene Herlitzka war ihr so unerträglich, dass sie einen Moment lang kurz davor war, aufzustehen und die Puppe aus ihrem Grab zu befreien. Doch etwas hielt sie zurück. Sie war zwölf Jahre alt, und auf ihr Wort war bereits Verlass.
    Früh am nächsten Morgen wurde Lilith von ihrer Mutter geweckt; es war Zeit aufzubrechen. Lilith blickte verwirrt um sich. Sie hatte vergessen, wo sie sich befand, wer die junge Schwangere war, die da neben ihr schlief, und wer der fremde Mann, der sich dort drüben bei der Tür die Haare kämmte und sie dabei aus dem Augenwinkel beobachtete. Er tauchte den Kamm in ein Glas mit Wasser und betrachtete sein Gesicht in einer an der Wand befestigten Spiegelscherbe. Doch dann sah sie den schwarzen Haarschopf der Mapuche-Puppe aus der rosa Decke hervorschauen, und mit einem Schlag fiel ihr alles wieder ein. Schnell stopfte sie die Haare unter die Decke und zupfte sich vor lauter Aufregung über den gelungenen Streich einen Hautfetzen von der Lippe. Während die Eltern die übrigen Kinder weckten, sie einen Mate trinken und von dem warmen Brot essen ließen, das Cumín auf den Tisch gestellt hatte, gab Lilith Wakolda keinen Augenblick aus der Hand. Cumín war an diesem frühen Morgen noch wortkarger als am Abend zuvor. Er hatte die vielen Leute in seinem Haus satt, wollte, dass sie endlich verschwanden. Auch Enzo konnte, als er die kleine Außentoilette benutzte – ein wenige Meter vom Haus entferntes, mit Sägespänen gefülltes Erdloch –, die Abfahrt kaum erwarten. Sie möge dafür sorgen, dass keines der Kinder auf die Idee kam, zur Toilette zu müssen, damit es sofort losgehen konnte, raunte er seiner Frau zu, als er von draußen hereinkam. Der Notfall war vorbei, nichts hielt sie hier mehr.
    »Vielen Dank, Cumín, ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken soll ...«
    »Der Kompass da würde mir genügen.«
    Er zeigte auf Enzos Hosentasche, aus der eine silberne Kette hing, daran der Kompass, ein Geschenk seines Schwiegervaters.
    »Na, also ... wenn Sie möchten ...«
    »Das war ein Scherz. Ich brauche nichts.«
    »Doch, bitte, nehmen Sie ihn.«
    Enzo gab sich Mühe, sich die christlichen Tugenden ins Gedächtnis zu rufen, löste den Kompass von der Kette und hielt ihn Cumín hin.
    »Sie können ihn viel besser gebrauchen als ich. Nehmen Sie schon.«
    »Wie Sie wollen«, sagte Cumín achselzuckend und steckte ihn in die Tasche.
    Er begleitete die Fremden bis zum Schuppen, seine Söhne kamen müde hinterhergestolpert. Als Enzo die Wagentür öffnete, um Frau und Kinder einsteigen zu lassen, sprang ihm die englische Dogge mit lautem Gebell entgegen. Cumín hatte alle Hände voll zu tun, seine Hunde im Zaum zu halten, als die Dogge wie wild hin und her zu jagen begann und an jedem Busch das Bein hob; danach setzten die Haushunde ihren Mapuche-Urin obendrauf. Ungeachtet der Tritte, die ihnen Cumín und seine Söhne verpassten, sprangen zwei von ihnen dem verwirrten Tier an die Kehle und ließen nicht locker. Vollends verstört kletterte die Dogge, mit Bissspuren an Hals und Lenden, zurück in den Wagen und rollte sich zwischen Tomas’ Füßen zusammen. Sie legte die Schnauze auf seine Füße und schloss die Augen, als wolle sie von dieser ganzen

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