Waldstadt
sein.«
»Falls es euch interessiert, wer hier zur Kundschaft gehört, bitteschön!« Paul Wellmann tippte in einem Notebook herum, das er aus dem Tresor gezogen hatte. »Nein, schade, öffnen lassen sich die Dateien nur mit Passwort, da war er doch nicht ganz so unvorsichtig. Ein Fall für die Technik, bitteschön.« Er reichte den tragbaren PC an Ludwig Willms weiter.
»Unten im Wagen hätten wir noch mal was!« Sternberg zog Willms am Ärmel: »Das hier kriegen deine Mitarbeiter auch alleine fertig.«
Sie gingen zurück in den Hof der Metzgerei, zu Wellmanns Dienstwagen, einem langen 850-er Volvo. Die dunkelgraue Farbe und das kantige Heck des Kombis ließen jeden sofort an einen Leichenwagen denken, deshalb auch der Spitzname ›Fliegender Sarg‹, doch Paul stand da drüber.
»Zum Geburtstag wünsche ich mir von meiner Enkelin selbstgebastelte Palmwedel für die hinteren Seitenscheiben«, kommentierte er das Grinsen auf Ludwig Willms’ Gesicht und öffnete die Heckklappe.
»Hier, drei Objekte aus der Staubox dieser BMW dort, bitteschön.«
Zuerst griff er nach dem durchsichtigen Plastikbeutel: »Motorradmaske, vielleicht mit DNA?«
Dann zog er sich wieder Handschuhe an und hob die kleinformatige Schreibmappe hoch: »An der hing dieser Fitnesskerl besonders, wir haben noch gar nicht reingeschaut.«
Als Letztes rollte er die lederne Werkzeugtasche auseinander und zog die Drahtrolle aus ihrem engen Fach: »Na, Ludwig, woran denkst du?«
Nachdenklich wiegte der Technik-Chef seinen Kopf: »Geländefahrer haben ja immer was zum Reparieren dabei, aber das hier könnte natürlich auch der Schlüssel zu unserem Waldstadt-Würger sein.«
Später beim Kaffee im Präsidium klopfte Oskar Lindt seinen beiden engsten Mitarbeitern anerkennend auf die Schultern. »Klasse Arbeit habt ihr heute geleistet, Gratulation! Aber verlasst euch drauf, beim nächsten Mal mische ich auch wieder mit!«
»Mist, dass wir ihm nicht gleich die Handschellen umgelegt haben«, ärgerte sich Paul Wellmann. »Jan hat es auch noch gesagt.«
Sternberg tröstete ihn: »Ach was, das war nur so ein unbegründetes Gefühl. Zu der Zeit hatte er sich überhaupt noch nicht richtig verdächtig gemacht.«
»Wir kriegen ihn bestimmt«, zog Oskar Lindt nachdenklich an seiner Pfeife. »Aber, ob er wirklich unser Mann ist?«
6
In der Karlsruher Innenstadt staute sich die feuchte Hitze der schwülen Sommertage zwischen den Häusern und auch die Nacht brachte kaum Abkühlung.
Sehnsüchtig schaute Oskar Lindt immer wieder von den Aktenbergen seines Büros nach draußen. Der Sandstein des Polizeipräsidiums brauchte zwar immer einige Tage, um sich aufzuheizen. So lange war es drin noch angenehm kühl. Aber nachdem die Hitze jetzt schon fast zwei Wochen ununterbrochen anhielt, stieg auch das Thermometer auf dem Schreibtisch des Kommissars bis knapp unter 30 Grad.
»In den Schulen würde man hitzefrei bekommen«, beklagte er sich.
»Oskar, da sind doch Ferien. Was denkst du, warum Jan Urlaub hat.«
»Ich weiß, Paul, ich weiß, aber die Hitze dampft so langsam meinen Verstand ein.« Er trug nur noch weite weiße Baumwoll- oder Leinenhemden, weil er sich einbildete, die Schwitzflecken würden dann nicht so auffallen. Zusätzlich duschte er sich jeden Tag über Mittag noch kalt ab, doch alles half nichts. Er kochte in der feuchten Hitze wie ein Huhn im Topf.
Seinem Kollegen schienen die quälenden Temperaturen rein gar nichts auszumachen, aber Paul Wellmann war auch rank und schlank geblieben, während Lindt jedes Jahr mehr mit dem Gewicht kämpfte.
Zusätzlich belasteten ihn noch die Laborergebnisse. Der Fitnessstudiobetreiber aus Hagsfeld war definitiv nicht der nächtliche Schlingenzieher aus dem Hardtwald.
Die DNA-Spuren in seiner Motorradmaske waren nicht identisch mit denen an den Nylonfasern vom Mordfall Schallenbach. Die Drähte aus seinem Bordwerkzeug dienten wirklich nur zu Reparaturzwecken und auch in der Schreibmappe fand sich nichts, was für die Mordkommissare von Bedeutung gewesen wäre.
Das Drogendezernat dagegen frohlockte. Ihnen war ein richtig dicker Fisch ins Netz gegangen. Bei einer Zugkontrolle kurz vor der holländischen Grenze war er geschnappt worden.
Nach zwei Tagen hatten die Computerspezialisten der KTU die Passwörter des Notebooks geknackt und konnten den Fahndern umfangreiche Dateien liefern. Ob allerdings die Gäste des Fitnessclubs auch in der Drogenszene aktiv waren, musste erst noch ermittelt werden.
Mehr
Weitere Kostenlose Bücher