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Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen

Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen

Titel: Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Dahn , Therese Dahn
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tiefgründiger, poesievoller Gedanken des heidnischen Altertums hat das Mittelalter auch hier wieder einmal seine hässlichen Fratzen gestellt.
    So ist das Vorbild der Faustsage, welche durch Goethe abermals eine Volksdichtung geworden, das alte Wotans-Bündnis; der Zaubermantel des Doktor Faust ist lediglich der alte Mantel Odins, auf dem er seine Schützlinge entrückt, durch die Luft über Länder und Meere führt [Fußnote: Bekannt ist auch jene Wendung der Sage, wonach der Mensch durch Vertrag mit dem Teufel die Kunst gewinnt, alle Krankheiten zu heilen, oder doch die tödlichen sofort zu erkennen, indem er den Teufel zu Häupten des Bettes stehen sieht. Aber um die geliebte Königstochter zu retten und zu gewinnen, dreht der Arzt das Bett herum, der Teufel, der geprellte, steht nun am Fussende und die Kranke genest.] . Es ist wunderbar, wie zähe die Volksseele festhält die uralten Formen der Sage; nur der Inhalt, d. h. die Menschen und die Verhältnisse, welche hineingegossen werden, wechseln, aber die Form bleibt die gleiche; so sind im 19. Jahrhundert vor unsern Augen zwei Sagen entstanden, die Eisenbahnsage (ungefähr 1855) und die Bismarcksage (1866), welche lediglich die alten Wotans-Bündnisse darstellen, angewandt auf eine neuzeitliche Erfindung und einen noch lebenden Mann.
    Von allen neueren Erfindungen hat auf die Sinne unsres Landvolkes (in Bayern z. B. in den Gegenden um Rosenheim) den grössten, aber auch den unheimlichsten Eindruck gemacht das Dampf und Feuer schnaubende, lindwurmähnlich daherbrausende Ungetüm, welches pfeilgeschwind Menschen und hochgetürmte Lasten durch die Lande trägt und welches wir Eisenbahn nennen. Als nun zuerst dies wilde Wunder in die stillen Alpentäler drang, bemächtigte sich seiner sofort die sagenbildende Einbildungskraft; aber sie schuf in der Eisenbahnsage nichts Neues, sondern wandte darauf an die uralte Formel des Wotan-(Teufels-)Bündnisses und lehrte: nicht Menschen vermochten dies Werk zu erfinden, der Teufel (Wotan) hat es dem Ingenieur verkauft, um den Preis seiner Seele – und der Seele des zuletzt einsteigenden Fahrgastes [Fußnote: Diese Sagen berühren sich mit den "Bausagen", wonach ein Riese (später der Teufel), auch wohl ein Zwerg, ein Werk für die Menschen vollendet, wofür er sich ein Kind (des Könige Tochter) oder Weib versprechen lässt; s. unten die Sage von Swadilfari, Buch III.] ; darum hütete man sich, dieser letzte zu sein. – Genau dem Wotantypus entspricht ferner die Sage, welche während des österreichischen Kriegs von 1866 niemand geringeren zu ihrem Gegenstand machte als den späteren Kanzler des Deutschen Reiches. Die überraschenden Erfolge der preussischen Waffen wurden ausschliesslich dem Zündnadelgewehr zugeschrieben; diese Siegeswaffe aber hatte nach der Sage der deutsch-österreichischen Bauern nicht der ehrenwerte Herr Dreyse in Sömmerda erfunden, sondern dies Gewehr, das von selbst sich ladet und losgeht, wenn der Preusse darauf klopft, hat der Teufel (d. h. Wotan) "dem Bismarck" verkauft; – natürlich um den Preis, den er von je bei seinen Verträgen sich ausbedingt: – den Preis seiner Seele; der Fürst Bismarck mag es sich schon gefallen lassen, dass er so nachträglich noch als der letzte der Einheriar nach Walhall gelangt, wenn man den Ort auch heutzutage schlimmer nennt. –
    Aber schon viel früher wird in den Sagen Odin-Wotans oder des Teufels Mantel (oder Ross) Helden, seinen Lieblingen (oder Männern, welche ihre Seele dem Teufel verkauft), verliehen, um sie aus weitester Ferne über Meer und Land noch rechtzeitig zur Abwendung einer drohenden Gefahr in die Heimat zu schaffen; so z. B. den Kreuzfahrer (Heinrich den Löwen) aus dem Gelobten Land auf seine Burg gerade an dem Tage, an dem seine Gattin, die ihn nach Ablauf beredeter Frist für tot halten muss, zur zweiten Ehe schreiten soll. Das Ross Odins (der schwarze, graue Hengst) kommt freilich auch manchmal ohne Reiter, aber gezäumt und gesattelt, um den Helden, dem Vertrage gemäss, zu mahnen, dass es nun Zeit sei, zu sterben, zu Odin zu fahren; d. h. ursprünglich nach Walhall, dann wohl auch in die Totenwelt. – Und im Mittelalter ist es das Ross des Teufels, welches den Unseligen in die Hölle abholt, der unweigerlich folgen muss; so Dietrich von Bern (s. unten Heldensagen, Buch VI, VII).
    Hieran reihen sich die Sagen von den Entrückungen der in Berge, Höhlen, in die Unterwelt entführten Könige und Helden; ursprünglich ist der Berg

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