Walisischer Sommer
ja nicht enttäuscht und verletzt zu werden. Deshalb hast du einen Schutzwall um dich aufgebaut und läßt niemanden an dich heran.”
„Ja, mag sein”, gab Christa zu. „Aber es schützt mich tatsächlich.”
„Wovor?” Daniel wollte der Sache auf den Grund gehen.
„Vor allem, was einem passieren kann, wenn man zu leichtgläubig ist.”
„Zum Beispiel?” fragte Daniel, doch sie schüttelte nur den Kopf. Sie wollte das Thema, das für sie zu schmerzlich war, nicht weiterverfolgen.
Manchmal befürchtete sie, nie die Schuldgefühle zu überwinden, weil sie genauso auf Piers hereingefallen war wie anfangs Laura.
Wenn sie ihrer Freundin geglaubt und ihr geholfen hätte, würde sie vielleicht jetzt noch leben. Statt dessen hatte sie, Christa, sich von Piers überzeugen lassen, Laura würde unter Depressionen leiden und sich nur einbilden, er sei ihr untreu.
„Bist du irgendwann einmal hereingelegt worden, Christa?” Daniel ließ nicht locker.
„Darüber möchte ich nicht reden”, erwiderte sie ärgerlich.
„Offenbar war es so schlimm, daß du dich entschlossen hast, nie wieder jemandem zu vertrauen”, vermutete er und kam dabei der Wahrheit so nahe, daß es Christa unangenehm war.
„Wer war es?” fragte er ruhig, während sie die Unterlagen zusammenlegte und weggehen wollte. „Dein erster Freund?”
„Nein”, entgegnete sie hitzig. „Der Mann meiner besten Freundin. Er war ein Lügner und Betrüger, er hat ihr das Herz gebrochen und sie in den Tod getrieben. Er …”
Entsetzt unterbrach sie sich und schüttelte den Kopf. Soviel hatte sie ihm nicht preisgeben wollen. Er besaß eine ganz besondere Fähigkeit, sie, Christa, dazu zu bringen, sich zu öffnen. Es mußte an seinem Charisma liegen, daß sie ein Verhalten an den Tag legte, das ihr sonst fremd war.
Die verdrängte Seite der Persönlichkeit freilegen, so nannte er es. Sich von allem befreien, um man selbst zu sein. Aber ich bin ja schon völlig ich selbst, genauso wie ich sein möchte, sagte sie sich.
Während Christa an diese Diskussion zurückdachte, legte sie wie schützend die Arme um die Knie und wandte den Blick von Daniel ab. Statt dessen betrachtete sie nun das Haus, das ihr gut gefiel und sie irgendwie an ihr Elternhaus erinnerte.
„Es ist bald Zeit für den Lunch.”
Christa war so in Gedanken vertieft, daß sie Daniels Schritte nicht gehört hatte. Sogleich versteifte sie sich und begann sogar zu zittern. Sie ärgerte sich, wie sehr seine Nähe sie immer wieder aus der Fassung brachte. Natürlich entging Daniel ihre Reaktion nicht. Christa errötete und drehte rasch den Kopf zur Seite.
„Du zitterst ja. Du solltest dich wärmer anziehen.”
Er glaubt, mir sei kalt, überlegte Christa erleichtert und entspannte sich ein wenig.
„Und praktischer.”
Und noch ehe sie es verhindern konnte, beugte er sich zu ihr und fuhr mit dem Daumen über den Fleck auf ihrer Hose.
Instinktiv schreckte sie zurück. Dort, wo Daniel sie berührte, schien ihr die Haut zu brennen. Hitze breitete sich in ihrem Körper aus, und auf einmal spürte sie ein so heftiges Verlangen, daß ihr Tränen in die Augen stiegen.
Wenn Daniel sie jetzt umarmte und küßte …
Aus den Augenwinkeln sah sie, wie seine Miene hart wurde. Und statt des sehnsüchtigen Begehrens breitete sich plötzlich tiefe Trostlosigkeit in Christa aus.
„Wir müssen bald mit der Wanderung beginnen, denn fürs Wochenende sagt der Wetterbericht Schnee voraus.”
„Wie bitte?” fragte Christa verwirrt. Sie war so mit sich beschäftigt gewesen, daß sie zunächst gar nicht begriff, wovon er redete.
„Ja”, meinte er und runzelte die Stirn. „Im Prospekt wird erklärt, daß unsere Kurse sorgfältig vorbereitete Bergwanderungen beinhalten, wobei die Teilnehmer schließlich in Zweiergruppen weitergehen bis zu einem bestimmten Ziel. Sie sind dann völlig auf sich gestellt und müssen sich aufeinander verlassen.”
Nun war Christas Interesse geweckt. „Heißt das, sie werden allein gelassen? Ist das nicht zu gefährlich?”
„Ja, das könnte es sogar sein”, stimmte er gleichmütig zu. „Aber wir überwachen natürlich das Ganze und sorgen dafür, daß niemandem etwas zustößt. Sinn der Übung ist nicht, die Leute zu erschrecken, sondern ihnen klarzumachen, wie wichtig es ist, anderen zu vertrauen.”
Christa erbebte. „Wenn nun dabei etwas schiefgeht? Wenn jemand sich verletzt oder stürzt und dann völlig auf den Partner angewiesen ist?”
„Das passiert
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