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Wallander 03 - Die weisse Löwin

Wallander 03 - Die weisse Löwin

Titel: Wallander 03 - Die weisse Löwin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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vier Uhr nachmittags ging er einkaufen und fuhr anschließend heim. Hinter der Tür lag ein ungewöhnlich großer Haufen Prospekte irgendeines Warenhauses. Ohne genauer hinzusehen, |332| warf er alles in den Müll. Dann machte er Abendbrot und ging mit Victor Mabasha noch einmal alle praktischen Fragen der Reise durch. Die eingeübten Repliken klangen von Mal zu Mal besser.
    Nach dem Essen studierten sie die letzten Details ein. Victor Mabasha sollte einen Mantel über dem linken Arm tragen, so daß man den Verband an der Hand nicht sah. Sie probten, wie er trotz des Mantels den Paß aus der Innentasche ziehen konnte.
    Wallander war zufrieden. Niemand würde die Verletzung entdecken. »Du fliegst mit einer englischen Gesellschaft nach London«, sagte er. »SAS wäre zu riskant. Schwedische Stewardessen lesen vermutlich Zeitung oder schauen sich Nachrichtensendungen im Fernsehen an. Sie könnten die Hand entdecken und Alarm schlagen.«
    Später am Abend, als nichts mehr zu besprechen war, trat ein Schweigen ein, das lange Zeit keiner von ihnen zu brechen vermochte.
    Endlich stand Victor Mabasha auf und stellte sich vor Wallander hin. »Warum hast du mir geholfen?« fragte er.
    »Ich weiß nicht. Oft denke ich, ich sollte dir Handschellen anlegen. Ich weiß, daß ich ein großes Risiko eingehe, wenn ich dich gehen lasse. Vielleicht warst doch du es, der Louise Åkerblom getötet hat. Du hast selbst erzählt, zu was für einem geschickten Lügner man in deinem Heimatland wird. Vielleicht lasse ich einen Mörder laufen?«
    »Trotzdem tust du es?«
    »Trotzdem tu ich es.«
    Victor Mabasha löste ein Halsband und reichte es Wallander. Es war mit einem Raubtierzahn verziert.
    »Der Leopard ist der einsame Jäger«, erklärte Victor. »Im Gegensatz zum Löwen geht der Leopard seine eigenen Wege und kreuzt nur seine eigenen Spuren. Tagsüber, in der größten Hitze, ruht er zusammen mit den Adlern auf den Bäumen. Nachts jagt er allein. Der Leopard ist ein geschickter Jäger. Aber er ist gleichzeitig die größte Herausforderung für andere Jäger. Das hier ist der Eckzahn eines Leoparden. Ich möchte, daß du ihn bekommst.«
    |333| »Ich bin nicht sicher, daß ich verstanden habe, was du meinst. Aber ich nehme dein Geschenk an.«
    »Man kann nicht alles verstehen. Eine Erzählung ist eine Reise, die niemals ein Ende hat.«
    »Das ist vielleicht der Unterschied zwischen dir und mir. Ich bin es gewohnt und erwarte, daß eine Geschichte ein Ende hat. Du meinst, daß eine gute Geschichte unendlich ist.«
    »Vielleicht ist es so. Es kann ein Glück sein zu wissen, daß man einen Menschen nie wieder treffen wird. Denn dann gibt es etwas, was weiterlebt.«
    »Vielleicht. Aber ich zweifle daran. Ich frage mich, ob es wirklich so ist.«
    Victor Mabasha entgegnete nichts.
    Eine Stunde später schlief er auf dem Sofa unter einer Decke, während Wallander sitzen blieb und den Zahn betrachtete, den er als Geschenk bekommen hatte.
    Plötzlich merkte er, daß er unruhig war. Er ging in die dunkle Küche und spähte hinunter auf die Straße. Alles war ruhig. Dann prüfte er, ob die Wohnungstür richtig verschlossen war. Er setzte sich auf den Schemel vor der Telefonbank und dachte, daß er wohl nur müde war. In zwölf Stunden würde Victor Mabasha auf und davon sein.
    Er sah sich den Zahn noch einmal an.
    Niemand würde mir glauben, dachte er. Also werde ich am besten niemandem je von meinen Tagen und Nächten mit einem schwarzen Mann erzählen, der auf einem einsamen Hof in Schonen einen Finger verlor.
    Dieses Geheimnis werde ich einst mit mir nehmen.
     
    Als sich Jan Kleyn und Franz Malan am Freitag morgen, dem 15.   Mai, trafen, brauchten sie nicht lange, um festzustellen, daß keiner von ihnen entscheidende Schwächen des Planes hatte finden können.
    Das Attentat sollte am 12.   Juni in Kapstadt verübt werden. Auf dem Signal Hill hinter dem Stadion, wo Nelson Mandela sprechen würde, hatte Sikosi Tsiki eine ideale Position, sein Gewehr abzufeuern. Dann würde er unbemerkt verschwinden.
    |334| Zwei Sachen jedoch hatte Jan Kleyn sowohl Franz Malan als auch den Komiteemitgliedern verschwiegen. Er hatte auch nicht die Absicht, sich jemals einem einzigen Menschen diesbezüglich zu offenbaren. Für Südafrika und den Fortbestand der weißen Herrschaft war er bereit, einige spezielle Geheimnisse mit in sein zukünftiges Grab zu nehmen. In der Geschichte des Landes würden gewisse Geschehnisse und Zusammenhänge niemals bekannt

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