Wallander 06 - Die fünfte Frau
nicht weiter als bis Marsvinsholm.
Konnte es so abgelaufen sein? Konnte Runfelt irgendwo in der Nähe des Waldes, wo er gefunden wurde, gefangengehalten worden sein? Aber der Koffer wird an der Straße nach Höör gefunden? In einer ganz anderen Richtung. In Holger Erikssons Richtung.
Wallander merkte, daß er nicht weiterkam. Es fiel ihm selbst |322| schwer zu glauben, daß ein anderes Taxi gekommen war. Andererseits wußte er nicht, was er glauben sollte. Aber eins war vollkommen klar: Was vor Runfelts Haustür geschehen war, war sorgfältig geplant gewesen. Von jemandem, der wußte, daß Runfelt nach Nairobi reisen wollte.
Wallander fuhr zurück zum Polizeipräsidium. Er sah Nybergs Wagen schlampig geparkt vor dem Eingang. Also war der Koffer gekommen.
Sie hatten eine Plastikfolie auf dem Tisch ausgebreitet und den Koffer daraufgestellt. Das Schloß war noch nicht aufgeklappt. Nyberg trank mit Svedberg und Hansson Kaffee. Wallander sah, daß sie auf ihn gewartet hatten. Martinsson telefonierte. Wallander hörte, daß er mit einem seiner Kinder sprach. Er gab ihm den Wagenschlüssel.
»Wie lange hat der Koffer da draußen gelegen?« fragte er.
Nybergs Antwort überraschte ihn. Er hatte mit etwas anderem gerechnet.
»Höchstens ein paar Tage«, sagte Nyberg. »Auf keinen Fall länger als drei.«
»Er ist mit anderen Worten ziemlich lange an einem anderen Ort aufbewahrt worden«, sagte Hansson.
»Das wirft eine andere Frage auf«, sagte Wallander. »Warum will der Täter ihn erst jetzt loswerden?«
Keiner hatte eine Antwort. Nyberg streifte sich ein Paar Plastikhandschuhe über und öffnete das Schloß. Er wollte gerade das Kleidungsstück herausnehmen, das zuoberst lag, als Wallander ihn bat zu warten. Er beugte sich über den Tisch. Was seine Aufmerksamkeit erregt hatte, wußte er nicht. »Haben wir ein Foto hiervon?« fragte er.
»Nicht von dem offenen Koffer«, antwortete Nyberg.
»Mach eins«, sagte Wallander. Er war überzeugt davon, daß etwas an der Art, wie der Koffer gepackt war, ihn aufmerken ließ. Er konnte nur nicht auf Anhieb sagen, was es war.
Nyberg verließ das Zimmer und kam mit einer Kamera zurück. Weil sein Fuß schmerzte, gab er Svedberg Anweisung, auf einen Stuhl zu steigen und die Bilder zu machen.
|323| Danach packten sie den Koffer aus. Wallander sah einen Mann vor sich, der mit leichtem Gepäck nach Afrika hatte reisen wollen. In dem Koffer waren keine unerwarteten Gegenstände oder Kleidungsstücke. In einem Seitenfach fanden sie seine Reiseunterlagen. Außerdem eine größere Summe in Dollarnoten. Am Boden des Koffers lagen Notizbücher, Literatur über Orchideen und eine Kamera. Sie standen still und betrachteten die Gegenstände. Wallander suchte intensiv in seinem Gehirn nach einer Erklärung dafür, daß etwas seine Aufmerksamkeit geweckt hatte, als der Kofferdeckel aufgeschlagen wurde. Nyberg hatte das Necessaire geöffnet. Er studierte das Etikett einer Pillendose. »Malariaprophylaxe«, sagte er. »Gösta Runfelt wußte, was nötig ist da unten in Afrika.«
Wallander betrachtete den leeren Koffer. Er entdeckte, daß etwas im Futter des Deckels festgeklemmt war. Nyberg machte es los. Es war eine blaue Plastikklemme für Namensschildchen. »Gösta Runfelt hat vielleicht Kongresse besucht«, schlug Nyberg vor.
»In Nairobi wollte er auf eine Fotosafari«, sagte Wallander. »Sie kann natürlich von einer früheren Reise stammen.« Er nahm eine Papierserviette vom Tisch und faßte damit die Nadel auf der Rückseite an. Er hielt sie nah an seine Augen. Da spürte er den Duft von Parfüm. Er wurde nachdenklich. Er hielt sie Svedberg hin, der neben ihm stand.
»Weißt du, wonach das riecht?«
»Rasierwasser?«
Wallander schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte er. »Das ist Parfüm.«
Sie rochen der Reihe nach. Hansson verzichtete wegen seiner Erkältung. Sie waren sich einig, daß es nach Parfüm roch. Frauenparfüm. Wallander wurde immer nachdenklicher. Er hatte auch das Gefühl, diese Klemme zu kennen.
»Wer hat schon einmal so eine Klemme gesehen?« fragte er.
Martinsson hatte die Antwort. »Ist das nicht so eine, wie sie das Landsting von Malmöhus längst benutzt?« sagte er. »Alle, die im Krankenhaus arbeiten, haben diesen Typ.«
|324| Wallander gab ihm recht. »Da stimmt was nicht«, sagte er. »Eine Plastikklemme, die nach Parfüm riecht, liegt in Gösta Runfelts für die Afrikareise gepacktem Koffer.«
Im selben Augenblick kam er darauf, was ihn beim
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