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Wallander 06 - Die fünfte Frau

Wallander 06 - Die fünfte Frau

Titel: Wallander 06 - Die fünfte Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Waage benutzt. Oder Kenntnisse über Gewichtsverteilung und Wasserwiderstand gehabt.«
    »Wie meinst du das?« fragte Wallander.
    Nyberg zeigte auf ein paar dicke Wülste, die auf der Innenseite des Sackes verliefen. »Alles ist genau vorbereitet. Der Sack hat eingenähte Gewichte, die dem, der dies gemacht hat, zwei Dinge garantierten. Einerseits, daß der Sack mit nur einem schmalen Luftkissen oberhalb der Wasseroberfläche blieb. Anderseits, daß |347| die Gewichte zusammen mit dem Gewicht des Mannes nicht so viel ausgemacht haben, daß der Sack auf den Grund gesunken ist. Weil es so genau ausgerechnet ist, muß der, der den Sack vorbereitet hat, das Gewicht des Toten gekannt haben. Auf jeden Fall ungefähr. Mit einer Fehlermarge von vielleicht vier bis fünf Kilo.«
    Wallander zwang sich zum Denken, obwohl der Gedanke daran, wie der Mann getötet worden war, ihm Übelkeit bereitete.
    »Das schmale Luftkissen hat also garantiert, daß der Mann wirklich ertränkt wurde?«
    »Ich bin kein Arzt«, sagte Nyberg. »Trotzdem tippe ich, daß dieser Mann lebendig war, als er in den See geworfen wurde. Er ist also ermordet worden.«
    Der Arzt, der neben der Leiche kniete, um sie zu untersuchen, hatte ihr Gespräch gehört. Er erhob sich und trat zu ihnen. Der Steg schwankte unter ihrem Gewicht. »Es ist natürlich zu früh, sich definitiv über irgend etwas zu äußern«, sagte er. »Aber an den sichtbaren Körperteilen habe ich nichts entdeckt. Die gerichtsmedizinische Untersuchung kann natürlich zu anderen Ergebnissen kommen.«
    Wallander nickte. »Ich will gern so schnell wie möglich Bescheid haben, wenn Sie Zeichen für Gewaltanwendung finden.«
    Der Arzt ging wieder an seine Arbeit. Obwohl Wallander ihm schon mehrmals begegnet war, konnte er sich nicht an seinen Namen erinnern.
    Wallander verließ die Brücke und versammelte seine nächsten Mitarbeiter um sich. Hansson hatte das Gespräch mit dem Mann beendet, der den Sack im Wasser entdeckt hatte.
    »Wir haben keine Ausweispapiere gefunden«, begann Wallander. »Wir wissen nicht, wer er ist. Das ist jetzt am wichtigsten. Wir müssen seine Identität feststellen. Vorher können wir nichts machen. Ihr müßt mit den Vermißtenlisten anfangen.«
    »Es besteht natürlich das Risiko, daß er noch nicht vermißt wird«, sagte Hansson. »Dieser Mann, der ihn gefunden hat, er heißt Nils Göransson, behauptet, daß er noch gestern nachmittag hier war. Er ist Schichtarbeiter bei einer Maschinenfabrik in Svedala und fährt hier heraus, weil er Schlafschwierigkeiten hat. Er hat gerade erst angefangen, Schicht zu arbeiten. Er war also |348| gestern hier. Er geht immer auf den Steg. Und da war kein Sack. Er muß also im Lauf der Nacht ins Wasser geworfen worden sein. Oder gestern abend.«
    »Oder heute früh«, sagte Wallander. »Wann ist er gekommen?«
    Hansson sah in seinen Aufzeichnungen nach. »Um Viertel nach acht. Seine Schicht war um sieben zu Ende, und da ist er direkt hergefahren. Unterwegs hat er angehalten und gefrühstückt.«
    »Dann wissen wir das«, sagte Wallander. »Es ist also nicht viel Zeit vergangen. Das bringt uns Vorteile. Die Schwierigkeit wird also sein, ihn zu identifizieren.«
    »Der Sack kann natürlich woanders in den See geworfen worden sein«, sagte Nyberg.
    Wallander schüttelte den Kopf »Er hat nicht lange im Wasser gelegen. Und nennenswerte Strömungen gibt es hier nicht.«
    Martinsson trat unruhig gegen den Sand, als friere er. »Muß das wirklich derselbe Täter sein?« fragte er. »Ich finde trotz allem, daß es anders wirkt.«
    Wallander war seiner Sache so sicher, wie er nur sein konnte. »Nein, das ist derselbe Täter. Auf jeden Fall ist es am schlausten, davon auszugehen. Und wenn nötig einen Blick über die Schulter zu werfen.«
    Dann schickte er sie fort. Sie konnten hier draußen am Ufer des Krageholmssjön nichts mehr ausrichten.
    Die Autos fuhren davon. Wallander schaute aufs Wasser. Der Schwan war verschwunden. Er betrachtete die Männer, die auf der Brücke arbeiteten. Den Krankenwagen, die Polizeiautos, die Absperrungsbänder. Das Ganze gab ihm plötzlich ein Gefühl großer Unwirklichkeit. Er begegnete der Natur, umgeben von Plastikbändern, die Schauplätze von Verbrechen abschirmten. Überall, wo er ging, waren Tote. Er konnte mit dem Blick einen Schwan auf dem Wasser suchen, doch im Vordergrund lag ein Mensch, der gerade tot aus einem Sack herausgeholt worden war. Er dachte, daß seine Arbeit im Grunde nichts anderes war

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