Wallander 06 - Die fünfte Frau
rauchen.«
Wallander nickte zerstreut. »Wir müssen diese Morde noch einmal miteinander abgleichen. Bei drei Toten brauchen wir mindestens neun Kombinationen. Fingerabdrücke, Zeitpunkte, alles, was auf einen gemeinsamen Nenner hinweist.«
Er blickte sich im Raum um. »Wir müßten einen ordentlichen Zeitplan aufstellen«, sagte er. »Wir wissen, daß die Person oder die Personen, die hinter dieser Sache stecken, mit erheblicher Brutalität zu Werke gehen. Wir haben in der Art und Weise, wie die drei Menschen getötet wurden, ein demonstratives Element gefunden. Aber es ist uns noch nicht gelungen, die Sprache des Mörders zu entziffern, den Kode, von dem wir früher gesprochen haben. Wir haben eine vage Ahnung, daß er zu uns spricht. Er oder sie. Aber was soll uns gesagt werden? Das wissen wir nicht. Die Frage ist, ob es noch ein weiteres Muster in dem Ganzen gibt, das wir nicht entdeckt haben.«
»Du meinst, ob der Täter bei Vollmond zuschlägt?«
»Genau. Der symbolische Vollmond. Wie sieht er in diesem Fall aus? Ich möchte, daß jemand einen Zeitplan aufstellt. Gibt es darin Anhaltspunkte, nach denen wir weiter vorgehen können?«
Martinsson versprach, die Informationen, die sie besaßen, zusammenzustellen. Wallander wußte, daß er sich aus eigenem |410| Antrieb ein paar Computerprogramme angeschafft hatte, die im Hauptquartier des FBI in Washington entwickelt worden waren. Er nahm an, daß Martinsson jetzt eine Möglichkeit sah, eins davon auszuprobieren.
Dann sprachen sie darüber, daß es tatsächlich ein Zentrum gab. Ann-Britt Höglund legte einen Ausschnitt einer Generalstabskarte in den Projektor. Wallander stellte sich neben das Bild. »Es fängt an in Lödinge«, sagte er und zeigte auf den Ort. »Von irgendwo kommt ein Mensch und fängt an, Holger Erikssons Hof zu beobachten. Wir können annehmen, daß er mit dem Auto kommt und den Feldweg auf der anderen Seite des Hügels benutzt hat, auf dem Holger Erikssons Vogelturm steht. Ein Jahr zuvor ist vielleicht dieselbe Person bei Holger Eriksson eingebrochen. Ohne etwas zu stehlen. Möglicherweise, um ihn zu warnen, sich anzukündigen. Das wissen wir nicht. Es muß sich auch nicht unbedingt um dieselbe Person handeln.«
Wallander zeigte auf Ystad. »Gösta Runfelt freut sich auf eine Reise nach Nairobi, wo er seltene Orchideen studieren will. Alles ist bereit. Der Koffer ist gepackt, Geld gewechselt, die Tickets sind abgeholt. Er hat sogar für den Morgen seiner Abreise ein Taxi bestellt. Aber aus der Reise wird nichts. Er verschwindet spurlos und taucht erst nach drei Wochen wieder auf.«
Sein Finger wanderte weiter. Jetzt zum Wald von Marsvinsholm, westlich der Stadt. »Ein Orientierungsläufer auf seiner nächtlichen Trainingsrunde findet ihn. Festgebunden an einen Baum, erwürgt. Irgendwie muß er in der Zeit seines Verschwindens gefangengehalten worden sein. Wir haben also zwei Morde an zwei verschiedenen Stellen, und Ystad als eine Art Mittelpunkt.«
Sein Finger ging nach Nordosten. »Wir finden einen Koffer an der Straße nach Sjöbo. Nicht weit entfernt von einer Stelle, wo man zu Holger Erikssons Hof abbiegen kann. Der Koffer liegt sichtbar am Straßenrand. Wir denken sofort, daß er dort hingelegt worden ist, um gefunden zu werden. Man kann sich zu recht fragen: Warum gerade da? Weil diese Straße für den Täter günstig liegt? Wir wissen es nicht. Aber die Frage ist wichtiger, als wir vielleicht bisher gemeint haben.«
|411| Wallanders Hand fuhr nun nach Südwesten, zum Krageholmssjön. »Hier finden wir Eugen Blomberg. Das bedeutet, daß wir ein nicht besonders großes, abgegrenztes Gebiet haben. Dreißig, vierzig Kilometer zwischen den äußersten Punkten. Zwischen den verschiedenen Stellen braucht man mit dem Wagen nicht länger als eine halbe Stunde.«
Er setzte sich. »Laßt uns daraus ein paar vorsichtige und vorläufige Schlußfolgerungen ziehen«, sagte er. »Worauf läßt dieses Bild schließen?«
»Ortskenntnis«, sagte Ann-Britt Höglund. »Die Stelle im Wald bei Marsvinsholm ist gut gewählt. Der Koffer ist an einer Stelle hingelegt worden, wo es kein Haus gibt, von dem aus man einen Autofahrer sehen könnte, der anhält und etwas abstellt.«
»Woher weißt du das?« fragte Martinsson.
»Weil ich es persönlich kontrolliert habe.«
Martinsson sagte nichts mehr.
»Man verschafft sich Ortskenntnis, oder man hat Ortskenntnis«, fuhr Wallander fort. »Was von beidem liegt hier vor?«
Sie waren sich nicht einig.
Weitere Kostenlose Bücher