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Wallander 06 - Die fünfte Frau

Wallander 06 - Die fünfte Frau

Titel: Wallander 06 - Die fünfte Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Oktober.
    Er begriff seine eigene Reaktion nicht. Was wäre geschehen, wenn sie in seiner Nähe gewesen wäre?
    |420| Er dachte an die ermordeten Männer. Es war, als sähe er plötzlich etwas, das er vorher nicht gesehen hatte. Ein Teil von ihm steckte verborgen in all der Brutalität, die ihn umgab. Er war ein Teil dieser Brutalität.
    Der Unterschied war graduell. Nichts anderes.
    Er schüttelte den Kopf. Er mußte bis zum Tagesanbruch warten, um Baiba wieder anzurufen. Dann würde sie antworten. Es konnte nicht so schlimm sein. Sie verstand. Erschöpfung konnte auch sie irritieren. Und dann wäre es an ihm, Verständnis zu haben.
    Es war ein Uhr. Er sollte nach Hause gehen und schlafen. Oder eine der Nachtstreifen bitten, ihn nach Hause zu fahren. Er machte sich auf den Weg. Die Stadt war verlassen. Irgendwo schlitterte ein Auto mit quietschenden Reifen. Dann Stille. Die Straße hinunter zum Krankenhaus.
    Sieben Stunden hatte die Gruppe zusammengesessen. Nichts war eigentlich passiert. Dennoch war der Abend ereignisreich gewesen.
In den Zwischenräumen entsteht die Klarheit
, hatte Rydberg einmal gesagt, als er gehörig betrunken war. Aber Wallander, der mindestens ebenso betrunken war, hatte trotzdem verstanden. Außerdem hatte er nicht vergessen. Sie hatten auf Rydbergs Balkon gesessen. Vor fünf, vielleicht sechs Jahren. Rydberg war noch nicht krank. Eines Abends im Juni, kurz vor Mittsommer. Sie hatten gefeiert, Wallander hatte vergessen, was.
    In den Zwischenräumen entsteht die Klarheit.
    Er war auf der Höhe des Krankenhauses. Blieb stehen. Zögerte, aber nur einen Moment. Dann ging er um die Giebelseite des Gebäudes und kam zur Ambulanz. Er betätigte die Nachtglocke. Als eine Stimme antwortete, nannte er seinen Namen und fragte, ob die Hebamme Ylva Brink Dienst habe. Sie war da. Er bat um Einlaß. Sie kam ihm außerhalb der Glastüren entgegen. Er sah ihrem Gesicht an, daß sie beunruhigt war. Er lächelte. Ihre Unruhe legte sich nicht. Vielleicht war sein Lächeln kein Lächeln? Oder das Licht schlecht?
    Sie gingen hinein. Ylva Brink fragte ihn, ob er Kaffee haben wolle. Er schüttelte den Kopf. »Ich bleibe nur einen Augenblick«, sagte er. »Vielleicht haben Sie viel zu tun?«
    |421| »Ja«, sagte sie. »Aber einen Moment kann ich erübrigen. Wenn es nicht bis morgen warten kann?«
    »Das kann es eigentlich«, sagte er. »Aber ich bin auf dem Nachhauseweg vorbeigekommen.«
    Sie gingen in das Bürozimmer. Eine Krankenschwester wollte eben eintreten, blieb aber stehen, als sie Wallander sah.
    »Das kann warten«, sagte sie und verschwand.
    Wallander lehnte sich an den Schreibtisch. Ylva Brink hatte sich gesetzt.
    »Sie müssen nachgedacht haben«, begann er. »Diese Frau, die Sie niedergeschlagen hat. Wer sie war. Warum sie hier war. Warum sie sich so verhalten hat. Sie müssen immer wieder darüber nachgedacht haben. Sie haben eine gute Beschreibung von ihrem Gesicht gegeben. Aber vielleicht ist Ihnen im nachhinein noch ein Detail eingefallen?«
    »Sie haben recht, daß ich nachgedacht habe. Aber ich habe alles über ihr Gesicht gesagt, woran ich mich erinnern kann.«
    »Sind Sie sich denn zumindest bezüglich der Augenfarbe sicher?«
    »Nein.«
    »Man pflegt sich an die Augen von Menschen zu erinnern.«
    »Es ging so schnell.«
    Er glaubte ihr. »Es muß nicht ihr Gesicht sein. Vielleicht eine bestimmte Art, wie sie sich bewegte. Oder eine Narbe an der Hand. Ein Mensch ist aus so vielen Einzelheiten zusammengesetzt. Wir glauben, daß wir uns im Zeitraffertempo erinnern. Als flöge die Erinnerung. Eigentlich ist es umgekehrt. Stellen Sie sich einen Gegenstand vor, der fast schwimmt. Der durchs Wasser sinkt, ganz langsam. So funktioniert die Erinnerung.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Es ging so schnell. Ich erinnere mich an nichts anderes als an das, was ich schon erzählt habe. Und ich habe mich wirklich angestrengt.«
    Wallander nickte. Er hatte auch nichts anderes erwartet.
    »Was hat sie getan?«
    »Sie hat Sie niedergeschlagen. Wir suchen nach ihr. Wir glauben, daß sie uns gewisse Informationen geben kann. Mehr kann ich nicht sagen.«
    Eine Wanduhr zeigte drei Minuten vor halb zwei. Er streckte |422| die Hand aus, um sich zu verabschieden. Sie verließen das Büro.
    Plötzlich hielt sie inne. »Vielleicht ist doch noch etwas«, sagte sie zögernd.
    »Was denn?«
    »Ich habe nicht gleich daran gedacht. Als ich auf sie zuging und sie mich niederschlug. Erst nachher.«
    »Was?«
    »Sie hatte ein

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