Wallander 06 - Die fünfte Frau
verließ eilig den Raum.
»Das war im Augenblick alles«, sagte Wallander. »Sagen wir, daß wir uns um fünf hier wieder treffen, falls bis dahin nichts passiert.«
|470| Als Wallander in sein Zimmer kam, klingelte das Telefon. Es war Martinsson. Er wollte wissen, ob Wallander ihn um zwei Uhr treffen könnte, bei ihm zu Hause. Wallander versprach zu kommen. Dann verließ er das Präsidium. Er aß im Continental zu Mittag. Eigentlich konnte er sich das nicht leisten. Aber er war hungrig und hatte wenig Zeit. Er saß allein an einem Fenstertisch, nickte Menschen zu, die vorübergingen. Wunderte sich und war gekränkt, daß niemand stehenblieb und ihm sein Beileid aussprach, weil sein Vater gestorben war. Es hatte in der Zeitung gestanden. Die Nachricht von Todesfällen verbreitete sich schnell. Er aß Heilbutt und trank ein alkoholarmes Bier. Die Bedienung war jung und wurde jedesmal rot, wenn er sie ansah. Er fragte sich mitleidig, wie sie ihre Arbeit aushielt.
Um zwei läutete er an Martinssons Tür. Der Kollege machte selbst auf. Sie setzten sich in die Küche. Es war still im Haus, Martinsson war allein. Wallander fragte nach Terese. Sie ging wieder zur Schule. Martinsson war blaß und verschlossen. Wallander hatte ihn noch nie so bedrückt und deprimiert gesehen.
»Was soll ich tun?« fragte Martinsson.
»Was sagt deine Frau? Was sagt Terese?«
»Natürlich daß ich weitermachen soll. Sie sind es nicht, die wollen, daß ich aufhöre. Das bin ich selbst.«
Wallander wartete. Aber Martinsson sagte nichts mehr.
»Weißt du noch, vor ein paar Jahren«, begann Wallander. »Als ich draußen im Nebel bei Kåseberga einen Menschen erschossen habe. Und einen anderen auf der Ölandbrücke totgefahren. Ich war fast ein Jahr weg. Ihr habt sogar geglaubt, ich hätte aufgehört. Dann passierte diese Sache mit den Anwälten Torstensson. Und plötzlich hatte sich alles verändert. Ich wollte mein Abschiedsgesuch unterschreiben. Statt dessen bin ich zurückgegangen in den Dienst.«
Martinsson nickte. Er erinnerte sich.
»Jetzt im nachhinein bin ich froh darüber, daß ich mich so entschieden habe. Das einzige, wozu ich dir raten kann, ist, nicht übereilt zu handeln. Warte ab. Arbeite noch eine Zeitlang, und dann entscheide dich. Ich bitte dich nicht darum, zu vergessen. Ich bitte dich darum, Geduld zu haben. Alle vermissen dich. Alle wissen, |471| daß du ein guter Polizist bist. Man merkt, daß du nicht da bist.«
Martinsson machte eine abwehrende Handbewegung.
»So wichtig bin ich nicht. Ich kann dies und das. Aber rede mir nicht ein, daß ich irgendwie unersetzbar bin.«
»Keiner kann gerade dich ersetzen«, sagte Wallander. »Davon rede ich.«
Wallander hatte damit gerechnet, daß das Gespräch sehr lang werden konnte. Martinsson saß eine Weile schweigend da. Dann stand er auf und verließ die Küche. Als er zurückkam, hatte er seine Jacke an. »Gehen wir?« fragte er.
»Ja«, sagte Wallander. »Wir haben viel zu tun.«
Im Wagen auf dem Weg zum Präsidium gab ihm Wallander einen kurzgefaßten Bericht über das, was sich in den letzten Tagen getan hatte. Martinsson hörte zu, ohne etwas zu sagen.
Als sie an die Anmeldung kamen, wurden sie von Ebba aufgehalten. Da sie sich nicht die Zeit nahm, Martinsson zu sagen, daß sie sich freute, ihn wiederzusehen, wußte Wallander sogleich, daß etwas passiert war.
»Ann-Britt Höglund will euch unbedingt sprechen«, sagte sie. »Es ist sehr dringend.«
»Was ist denn passiert?«
»Eine Frau, die Katarina Taxell heißt, hat ihre Mutter angerufen.«
Wallander sah Martinsson an.
Er hatte also recht gehabt.
Aber es war schneller gegangen, als er erwartet hatte.
|472| 33
Sie waren nicht zu spät gekommen.
Birch hatte es gerade noch mit einem Aufnahmegerät geschafft. Eine gute Stunde später war das Band in Ystad. Sie sammelten sich in Wallanders Zimmer, wo Svedberg ein Tonbandgerät aufgestellt hatte.
Sie lauschten dem Gespräch zwischen Katarina Taxell und ihrer Mutter unter großer Spannung. Das Gespräch war kurz. Das war auch Wallanders erster Gedanke. Katarina Taxell wollte nicht mehr sprechen als unbedingt nötig.
Sie hörten es einmal an, dann ein zweites Mal. Svedberg reichte Wallander die Kopfhörer, damit er mehr Nuancen wahrnahm.
»Mama? Ich bin es.«
»Um Gottes willen. Wo bist du? Was ist passiert?«
»Nichts ist passiert. Uns geht es gut.«
»Wo bist du?«
»Bei einer guten Freundin.«
»Bei wem?«
»Bei einer guten Freundin. Ich
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