Wallander 06 - Die fünfte Frau
nichts darüber gesagt, wo er begraben werden wollte. Aber einen Pastor will ich haben.«
Sie kamen überein, daß es der Nya Kyrkogården in Ystad sein sollte. Ein einfaches Begräbnis. Der Vater hatte nicht viele Freunde gehabt. Linda sagte, sie wolle ein Gedicht lesen, Wallander versprach, keine Rede zu halten, und sie einigten sich auf das gemeinsame Lied ›Herrlich ist die Erde‹.
Am Tag danach kam Kristina. Sie wohnte draußen bei Gertrud, |160| während Linda bei Wallander in Ystad war. In dieser Woche führte der Tod sie zusammen. Kristina sagte, daß jetzt, wo der Vater fortgegangen sei, sie als nächste an der Reihe wären. Wallander spürte, wie seine Furcht vor dem Tod zunahm. Aber er sprach nicht darüber, mit keinem; nicht mit Linda, nicht mit seiner Schwester. Vielleicht könnte er es einmal mit Baiba tun. Sie hatte starke Gefühle gezeigt, als er sie schließlich erreichte und ihr erzählte, was geschehen war. Sie hatten fast eine Stunde lang miteinander geredet. Sie sprach von ihren Gefühlen, als ihr Vater vor zehn Jahren gestorben war, und auch davon, was sie gefühlt hatte, als ihr Mann Karlis ermordet wurde. Hinterher war Wallander erleichtert. Sie war da, und sie würde nicht verschwinden.
Am Tag, als die Todesanzeige in
Ystads Allehanda
stand, rief Sten Widén von seiner Pferdefarm bei Skurup an. Es war ein paar Jahre her, seit Wallander mit ihm gesprochen hatte. Früher waren sie enge Freunde gewesen. Sie hatten ein Interesse für die Oper geteilt und großartige gemeinsame Zukunftsträume genährt. Sten Widén hatte eine schöne Stimme, und Wallander sollte sein Impresario werden. Aber alles wurde an dem Tag anders, als Sten Widéns Vater plötzlich starb und Sten gezwungen war, den Hof zu übernehmen, auf dem sie Rennpferde trainierten. Wallander war Polizeibeamter geworden, und ihr Umgang schlief nach und nach ein. Aber Sten Widén rief an und kondolierte. Nach dem Gespräch fragte sich Wallander, ob Sten seinen Vater jemals getroffen hatte. Aber er fühlte Dankbarkeit, daß er angerufen hatte. Es gab also doch noch jemanden außerhalb des engsten Familienkreises, der ihn nicht vergessen hatte.
Bei all dem zwang sich Wallander, seinen Beruf nicht zu vernachlässigen. Schon am Tag nach dem Todesfall, am Dienstag, dem 4. Oktober, kehrte er an seinen Arbeitsplatz zurück. Er hatte eine schlaflose Nacht in der Wohnung verbracht. Linda hatte in ihrem alten Zimmer geschlafen. Außerdem war Mona zu Besuch gekommen und hatte ein Abendessen mitgebracht, damit sie, wie sie sagte, für eine Weile an etwas anderes dachten. Wallander stellte dabei zum erstenmal nach ihrer aufreibenden Ehescheidung vor fünf Jahren fest, daß ihre Ehe jetzt auch für seinen Teil endgültig |161| vorbei war. Allzu lange hatte er an Mona appelliert, zurückzukommen, und unrealistische Träume geträumt, daß alles wieder so werden könnte wie früher. Aber es gab keinen Weg zurück. Und jetzt stand ihm Baiba nahe. Ein Gutes hatte der Tod des Vaters mit sich gebracht: Wallander zweifelte nicht mehr daran, daß das Leben, das er mit Mona geführt hatte, vorbei war.
Daß er in dieser Woche bis zur Beerdigung so schlecht schlief, war vielleicht nicht so verwunderlich. Aber seine Kollegen hatten den Eindruck, daß er genauso war wie immer. Sie hatten ihm ihr Beileid ausgesprochen, und er hatte gedankt. Danach war er sofort zur laufenden Ermittlung übergegangen. Lisa Holgersson hatte ihn im Flur auf die Seite genommen und ihm vorgeschlagen, ein paar Tage frei zu nehmen. Aber er hatte ihr Angebot abgelehnt. In den Stunden des Tages, in denen er arbeitete, fühlte er, daß die Trauer um den Vater erträglicher wurde.
Die Ermittlung schleppte sich in der Woche bis zur Beerdigung sehr langsam dahin. Möglicherweise lag es daran, daß Wallander die Arbeit nicht wie gewohnt vorantrieb. Der zweite Fall, auf den sie sich konzentrierten und der immer wieder den Mord an Holger Eriksson überschattete, war der verschwundene Gösta Runfelt. Keiner verstand, was geschehen war. Er schien sich in Luft aufgelöst zu haben. Keiner der Beamten glaubte noch daran, daß es für sein Verschwinden eine natürliche Erklärung gab. Es war ihnen andererseits nicht gelungen, etwas zu finden, was auf einen Zusammenhang zwischen Holger Eriksson und Gösta Runfelt hinwies. Das einzige, was in bezug auf Gösta Runfelt vollkommen klar zu sein schien, war, daß das Interesse für Orchideen seinen Lebensinhalt darstellte.
»Wir sollten einmal
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