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Wallander 06 - Die fünfte Frau

Wallander 06 - Die fünfte Frau

Titel: Wallander 06 - Die fünfte Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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homosexuell war, dann war er das in Zeiten, in denen man hierzulande Menschen mit dieser Veranlagung erpreßte.«
    »Du meinst also, daß wir die Leute fragen sollen, ob Holger Eriksson homosexuell gewesen sein kann?« fragte Svedberg, der ebenfalls bisher geschwiegen hatte.
    |164| »Wie ihr vorgehen wollt, müßt ihr selbst entscheiden«, sagte Wallander. »Ich weiß ja nicht einmal, ob es stimmt. Aber wir können die Möglichkeit nicht außer acht lassen.«
    Später sollte Wallander sich sehr deutlich daran erinnern, daß dies der Augenblick war, in dem die Ermittlung in ein neues Stadium eintrat. Als wäre allen plötzlich klargeworden, daß bei dem Mord an Holger Eriksson nichts einfach und leicht zugänglich war. Sie hatten es mit einem oder mehreren verschlagenen Tätern zu tun, und sie konnten jetzt davon ausgehen, daß das Motiv für den Mord irgendwo in der Vergangenheit verborgen lag. Einer Vergangenheit, die gegen Einsicht gut geschützt war. Sie betrieben weiter ihre mühsame Grundlagenarbeit. Sie erfaßten alles, was ihnen über Holger Erikssons Leben zugänglich war. Svedberg blieb sogar mehrere Tage bis spät in die Nacht auf und las genau und langsam die neun Gedichtsammlungen durch, die Eriksson herausgegeben hatte. Am Schluß glaubte Svedberg fast den Verstand zu verlieren über all den seelischen Konflikten, die offenbar in der Welt der Vögel existierten. Aber mehr über Holger Eriksson gelernt zu haben, meinte er nicht. Martinsson nahm seine Tochter Terese an einem windigen Nachmittag mit nach Falsterbonäset und sprach mit verschiedenen Vogelbeobachtern, die mit den Köpfen im Nacken dastanden und zu den grauen Wolken hinaufstarrten. Das einzige Ergebnis des Besuches, abgesehen vom Zusammensein mit seiner Tochter, die Interesse gezeigt hatte, Mitglied bei den Feldbiologen zu werden, war, daß er nun wußte, daß in der Nacht, in der Holger Eriksson ermordet wurde, große Schwärme von Rotdrosseln Schweden verlassen hatten.
    Martinsson konferierte später mit Svedberg, der behauptete, in keinem der neun Bände gebe es ein Gedicht über Rotdrosseln.
    »Dagegen habe ich drei lange Gedichte über Doppelschnepfen gelesen«, sagte Svedberg zögernd. »Gibt es eigentlich Dreifachschnepfen?«
    Martinsson wußte es nicht. Und die Ermittlung ging weiter.
    Endlich kam der Tag der Beerdigung. Sie wollten sich am Krematorium treffen. Vor ein paar Tagen hatte Wallander zu seiner Verwunderung erfahren, daß eine Pastorin den Trauergottesdienst halten sollte. Außerdem war es nicht irgendeine Pastorin. |165| Er war ihr bei mindestens einer denkwürdigen Gelegenheit während des vergangenen Sommers begegnet. Nachher freute er sich, daß sie es war. Ihre Ansprache war einfach, und sie verfiel keinen Augenblick in Pathos. Sie hatte ihn am Vortag angerufen und gefragt, ob sein Vater religiös gewesen sei. Wallander hatte das verneint. Aber er hatte ihr von seiner Malerei erzählt. Und von ihrer Reise nach Rom. Das Begräbnis wurde weniger quälend, als Wallander befürchtet hatte. Der Sarg war aus braunem Holz und hatte eine schlichte Rosen-Dekoration. Linda zeigte ihre Gefühle am offensten. Niemand bezweifelte, daß ihre Trauer echt war. Vielleicht würde sie den Toten am meisten vermissen.
    Nach der Trauerfeier fuhren sie nach Löderup hinaus. Jetzt, nach dem Begräbnis, fühlte Wallander Erleichterung. Wie er später reagieren würde, wußte er nicht. Es war immer noch, als verstehe er nicht, was geschehen war. Er dachte, daß er zu einer Generation gehörte, die außerordentlich schlecht darauf vorbereitet war, daß der Tod stets in der Nähe war. Was ihn betraf, so verstärkte sich dieses Gefühl durch das Eigentümliche der Tatsache, daß er sich in seiner Tätigkeit als Polizeibeamter so häufig mit toten Menschen befaßte. Aber nun hatte sich gezeigt, daß er selbst ebenso schutzlos war wie jeder andere. Er dachte an das Gespräch mit Lisa Holgersson vor einer Woche.
    Am Abend saßen Linda und er noch lange auf und sprachen miteinander. Sie wollte früh am nächsten Morgen wieder nach Stockholm fahren. Wallander erkundigte sich vorsichtig, ob sie ihn nun seltener besuchen werde, da ihr Großvater nicht mehr da war. Aber sie versprach, im Gegenteil öfter zu kommen. Und Wallander versprach seinerseits, Gertrud nicht zu vergessen.
    Als er an diesem Abend ins Bett ging, spürte er das Bedürfnis, sich jetzt unmittelbar wieder seiner Arbeit zuzuwenden. Mit aller Kraft. Erst wenn er Abstand gewonnen hätte zum

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