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Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Titel: Wallander 09 - Der Feind im Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Tisch und erzählte seinem Besucher die ganze Geschichte, wie er zu dem Zylinder gekommen war. Er ließ nichts aus, begann mit dem Foto der beiden Männer und dem Fischkutter und endete erst, als er erzählt hatte, was er aus der Dunkelheit des Bootsschuppens auf Bokö ans Licht gezogen hatte. »Ich weiß nicht, was du meinst«, sagte er zum Schluss, »ob es die Reise von Gävle herunter wert war oder nicht.«
    »Das ist es absolut wert«, sagte Sten Nordlander. »Ich bin genauso verwirrt wie du. Das hier ist keine Attrappe. Möglicherweise ahne ich auch eine Art von Zusammenhang.«
    Es war nach elf. Sten Nordlander lehnte eine ordentliche Mahlzeit ab und begnügte sich mit Tee und Zwieback. Wallander musste lange zwischen all seinen angebrochenen Packungen in der Speisekammer suchen, bevor er eine Tüte Haferzwieback fand, deren Inhalt weitgehend zerbröselt war.
    »Es ist verlockend, schon jetzt weiterzudiskutieren«, sagte Sten Nordlander. »Aber mein Arzt verbietet mir, dass ich mir die Nächte um die Ohren schlage, ob mit Alkohol oder ohne. Deshalb müssen wir morgen weitermachen. Lass mich vor dem Einschlafen noch in dem Buch blättern, in dem du das Foto gefunden hast.«
     
    Der nächste Tag war warm und windstill. Ein Falke rüttelte über dem Ackerrand. Jussi beobachtete den Vogel gebannt. Wallander war bereits um fünf Uhr aufgestanden, ungeduldig wartete er darauf, was Sten Nordlander zu sagen hatte.
    Um halb acht kam Nordlander aus dem Gästezimmer. Er betrachtete den Garten und die Aussicht und war sehr angetan. »Der Mythos besagt, dass Schonen eine platte und ziemlich tote Landschaft ist«, sagte er. »Aber hier sehe ich etwas ganz anderes. Eine Landschaft wie eine sanfte Dünung. Kann man das so sagen? Und dahinter das Meer?«
    »Mir geht es ähnlich«, sagte Wallander. »Dunkle und dichte Wälder machen mir Angst. Diese Offenheit macht es schwer, sich zu verstecken. Das ist gut. Wir müssen uns vielleicht alle von Zeit zu Zeit verstecken, vielleicht ist das so, aber es gibt Menschen, die tun es ein bisschen zu oft.«
    Sten Nordlander sah Wallander nachdenklich an: »Hast du in den gleichen Bahnen gedacht wie ich? Dass Håkan und Louise sich aus Gründen, die wir nicht kennen, versteckt halten?«
    »Das gehört zur Routine, wenn man nach verschwundenen Menschen sucht.«
    Nach dem Frühstück schlug Sten Nordlander einen Spaziergang vor. »Ich muss mich morgens bewegen, sonst kommt meine Verdauung nicht in Gang.«
    Jussi verschwand wie ein geölter Blitz zu den Wäldchen hinunter, wo wassergefüllte kleine Senken für eine witternde Hundenase viel Interessantes zu bieten hatten.
    »Es gab Gelegenheiten in den frühen 1970er Jahren, da dachten wir allen Ernstes, die Russen wären militärisch so stark, wie sie uns glauben machen wollten«, begann Sten Norlander. »Die Oktoberparaden waren die Wahrheit, so sah es jedenfalls aus, und Tausende von Militärexperten betrachteten die Fernsehbilder von den Fahrzeugen, die vor dem Kreml auffuhren, und ihre wichtigste Frage lautete: Was bekommen wir nicht zu sehen? In jener Zeit war der Kalte Krieg noch absolut ernst, kann man sagen. Es waren die Jahre, bevor die Seifenblase platzte.«
    Sie waren an einem Graben stehen geblieben, wo eine als Steg ausgelegte Planke eingebrochen war. Wallander suchte eine andere, nicht ganz so morsche Planke und schob sie so zurecht, dass sie über den Graben gelangten.
    »›Die Seifenblase ist geplatzt‹«, wiederholte Wallander. »Mein alter Kollege Rydberg sagte das immer, wenn ein Ermittlungsansatz sich als völlig verfehlt erwies.«
    »In diesem Fall war es die Erkenntnis, dass die russischen Streitkräfte nicht so stark waren, wie wir angenommen hatten. Es war eine ziemlich ernüchternde Einsicht. Sie reifte langsam heran bei all denen, die das Puzzle aus den Informationen legten, die man durch Spione, U-2-Flugzeuge oder gewöhnliche Fernsehbilder bekommen konnte. Die russische Streitmacht war auf allen Ebenen heruntergekommen und in vieler Hinsicht eine gut aussehende, aber leere Fassade. Das ist nicht so zu verstehen, dass keine reale Bedrohung durch Kernwaffen vorlag. Die Bedrohung existierte. Aber genau so, wie die ganze Wirtschaft sich in Auflösung befand, zusammen mit der untauglichen Bürokratie und der Partei, die selbst nicht mehr an das glaubte, was sie tat, ging es auch mit den Streitkräften abwärts. Und das gab den Militärführungen im Pentagon und in der Nato und selbst in Schweden zu denken. Was würde

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