Wallander 10 - Wallanders erster Fall
plötzlich unsicher. Er ging zu schnell vor. Zuerst müßte er ein ordentliches Gespräch mit Hemberg führen. Er würde von der Namensänderung erzählen und davon, was Jespersen gesagt hatte. Dann mußte Hemberg entscheiden, ob dies eine Spur war oder nicht.
Mit dem Gespräch mit Hemberg würde Wallander bis zum nächsten Tag warten.
Er verließ den Park und nahm den Bus nach Hause.
Er war immer noch müde und erschöpft nach der Magenverstimmung und schlief schon vor Mitternacht ein.
Am nächsten Tag erwachte Wallander ausgeschlafen schon um sieben Uhr. Nachdem er festgestellt hatte, daß sein Magen wieder ganz in Ordnung war, trank er eine Tasse Kaffee. Dann wählte er die Telefonnummer, die er von dem Mädchen in der Anmeldung des Polizeipräsidiums bekommen hatte. Er mußte es lange klingeln lassen, bis sein Vater abnahm.
|113| »Bist du das?« fragte der Vater brüsk. »Ich habe in dem ganzen Durcheinander das Telefon nicht gefunden.«
»Warum rufst du im Präsidium an und gibst dich als entfernter Verwandter aus? Du kannst doch verdammt noch mal sagen, daß du mein Vater bist!«
»Ich will nichts mit der Polizei zu tun haben«, entgegnete der Vater. »Warum kommst du nicht her und besuchst mich?«
»Ich weiß ja nicht einmal, wo du wohnst. Kristina hat es nur ungefähr beschrieben.«
»Du bist nur zu faul, es herauszufinden.«
Wallander sah ein, daß das Gespräch aus dem Ruder gelaufen war. Am besten war es jetzt, es so schnell wie möglich zu beenden.
»Ich komme in ein paar Tagen hinaus«, sagte er. »Ich rufe vorher an, und dann erklärst du mir den Weg. Wie fühlst du dich?«
»Gut.«
»Ist das alles? Gut?«
»Es ist ein bißchen durcheinander hier. Aber wenn ich erst alles aufgeräumt habe, dann wird es ausgezeichnet. Ich habe ein schönes Atelier draußen in einem alten Stall.«
»Ich komme«, versprach Wallander.
»Das glaube ich erst, wenn du hier vor mir stehst«, sagte der Vater. »Polizisten kann man selten trauen.«
Wallander beendete das Gespräch. Es kann sein, daß er noch zwanzig Jahre lebt, dachte er resigniert. Und ich werde mich die ganze Zeit mit ihm herumschlagen müssen. Ich werde ihn nicht los. Vielleicht sollte ich das endlich einsehen. Und wenn er jetzt schon ein Griesgram ist, wird es mit den Jahren nur noch schlimmer und schlimmer.
Wallander aß mit neuerwachtem Appetit ein paar belegte Brote und nahm dann den Bus zum Polizeipräsidium.
Kurz nach acht klopfte er an Hembergs halbgeöffnete Tür. Er bekam ein Brummen zur Antwort und trat ein. Ausnahmsweise hatte Hemberg einmal nicht die Füße auf dem Tisch. Er stand am Fenster und blätterte in einer Morgenzeitung.
Als Wallander eintrat, musterte Hemberg ihn amüsiert. »Muscheln«, sagte er, »davor sollte man sich in acht nehmen. Die saugen den ganzen Dreck in sich auf, der im Wasser ist.«
|114| »Es kann ja auch etwas anderes gewesen sein«, antwortete Wallander ausweichend. Hemberg legte die Zeitung fort und setzte sich.
»Ich muß mit dir reden«, sagte Wallander. »Und es wird mehr als fünf Minuten dauern.«
Hemberg nickte zum Stuhl hin.
Wallander erzählte von seiner Entdeckung, daß Hålén vor einigen Jahren den Namen geändert hatte. Er merkte, daß Hemberg aufhorchte. Danach berichtete er von seinem Gespräch mit Jespersen, dem Besuch am Abend zuvor und dem Spaziergang durch den Pildammspark.
»Ein Mann, der Rune heißt«, schloß er. »Der keinen Nachnamen, aber ein hängendes Lid hat.«
Hemberg dachte schweigend nach. »Kein Mensch ist ohne Nachnamen«, sagte er dann. »Und so viele Menschen mit einem hängenden Lid als besonderes Kennzeichen kann es in einer Stadt wie Malmö nicht geben.«
Dann runzelte er die Stirn. »Ich habe dir schon einmal gesagt, du sollst nicht auf eigene Faust agieren. Du hättest schon gestern abend mit mir oder mit jemand anderem Kontakt aufnehmen müssen. Wir hätten die Typen, die du im Park getroffen hast, hergeholt. Bei einem gründlichen Verhör nach einer Nacht in der Ausnüchterungszelle pflegen sich die Leute bestens zu erinnern. Hast du dir aufgeschrieben, wie diese Männer hießen?«
»Ich habe nicht gesagt, daß ich Polizist bin. Ich habe mich als Kumpel von Rune ausgegeben.«
Hemberg schüttelte den Kopf. »So kannst du nicht weitermachen«, sagte er. »Wir agieren offen, solange es nicht gute Gründe für das Gegenteil gibt.«
»Er hat mich um Geld angehauen«, verteidigte sich Wallander, »sonst wäre ich einfach vorbeigegangen.«
Hemberg
Weitere Kostenlose Bücher