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Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Titel: Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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eine schlimmere Schändung des Schönen und Heiligen als die, deren ich hier angeklagt bin. Deshalb werde ich es nicht einmal versuchen. Nicht ein Wort zu Demeas’ Rede.
    Aber ich will euch nicht um eure Unterhaltung bringen. Drei Obolen sind nicht gerade viel dafür, den ganzen Tag auf diesen kalten, harten Bänken sitzen zu müssen, insbesondere nicht für die älteren Männer unter euch, und ihr habt ein Anrecht darauf, euch von einigen kunstvollen Reden zerstreuen zu lassen. Deshalb werde ich meine Verteidigung schnell hinter mich bringen und die verbleibende Zeit mit ein paar Witzen, einem Lied oder dergleichen ausfüllen.
    Nun sind wir hier alle erwachsene Menschen und wissen, was gespielt wird. Ich spreche nicht zu einer Gruppe Kolonisten, die gerade von einem Weizenschiff kommen und die Propyläen für ein Schiff oder die Königshalle für einen Weinkeller halten. Ihr und ich, wir alle wissen, daß Demeas mich anklagt, weil er das Geld braucht, Aristophanes gegen mich ausgesagt hat, weil er zum einen ein undankbares Arschloch ist und zum anderen vor Demeas eine Heidenangst hat, und daß alle übrigen Zeugen für einen bar zu zahlenden Tageslohn von einer Drachme und für zwei später fällig werdende Scheffel Feigen angestellt sind. Wir wissen auch, daß ihr mich verurteilen werdet, weil ihr nach Sizilien Blut sehen wollt und sich Demosthenes und Nikias haben umbringen lassen, bevor ihr sie anklagen konntet. Jeder, der heute hier ist, vielleicht mit Ausnahme des rothaarigen Herrn in der zweiten Reihe von hinten, der nicht den allgemeinen Anstand besitzt, das Essen einzustellen, während ich hier um mein Leben rede, weiß außerdem, daß meine einzige Hoffnung, heil aus dieser Sache herauszukommen, darin besteht, euch eine verdammt gute Rede zu halten, damit ihr mich laufen laßt, um aller Welt zu beweisen, wie intelligent und zivilisiert ihr seid. Und dann werdet ihr euch irgendeinen anderen armen Kerl herausgreifen, der keine Witze reißen oder sich kunstvolle Redensarten ausdenken kann, um eure Blutgier an ihm zu stillen. Das ist es, Männer von Athen, was wir als Demokratie bezeichnen.
    Eine Demokratie ist ein Rudel Wölfe ohne festes Leittier. Befinden sich viele Schafe in der Nähe, ist alles bestens, und die Wölfe gratulieren sich dazu, wie wunderbar ihre Wolfsdemokratie funktioniert, und bewilligen sich vielleicht alle bei Neumond eine zusätzliche Stunde Schlaf. Haben sie aber sämtliche Schafe gefressen, und haben sich die Schäfer zusammengetan, um sie mit Hunden und Schlingen aus ihren Schlupflöchern zu jagen, wenden sich die Wölfe gegeneinander und fressen die dicksten und die schwächsten. Dann stellen sie fest, daß die Wolfsdemokratie doch nicht ganz so ist, wie sie immer gedacht hatten; zwar gibt es immer noch diese geheimnisvolle Allgemeinheit, von der uns schon Demeas erzählt hat, doch die Allgemeinheit setzt sich aus den Wölfen zusammen, deren Stunde noch nicht gekommen ist. Natürlich dauert der Hunger an, genau wie der demokratische Prozeß. Ein demokratischer Prozeß funktioniert genau so lange, bis nur noch drei Wölfe übrig sind, von denen zwei den dritten überstimmen, um ihn fressen zu können. Dann bleiben nur noch zwei, und das ist eine Oligarchie.
    Nun wäre das alles höchst lobenswert, wenn ihr über die Befriedigung eurer krankhaften Begierde nach menschlichem Blut hinaus etwas vom demokratischen Prozeß hättet. Aber ihr seht, der Vergleich mit den Wölfen hinkt, da ihr eure Opfer in Wirklichkeit nicht zu fressen bekommt; ihr zieht aus ihrer Tötung keinerlei Nutzen. Die einzigen Menschen, die dadurch einen Vorteil erlangen, sind Männer wie Demeas, die aus dem Verkaufserlös den Anteil des Spitzels erhalten. Jetzt werdet ihr mir sagen: ›Eupolis, du irrst dich wieder einmal. Dein gesamtes beträchtliches Vermögen wird eingezogen, und die Gewinne daraus fließen in den Staatssäckel. Wir haben dich gemästet, und jetzt werden wir dich eben umbringen.‹ Ja, mathematisch gesehen habt ihr recht. Die Kosten dieses Verfahrens belaufen sich auf… laßt mich mal kurz nachrechnen, fünfhundertundeins Richter zu drei Obolen pro Tag macht knapp zweihunderteinundfünfzig Drachmen. Ja, aus meiner Leiche wird der Staatssäckel einen viel höheren Betrag herausschlagen, selbst nachdem Demeas seinen Anteil erhalten hat. Als Methode, Einnahmen für den Staatssäckel zu erzielen, stellt der Justizmord die Hafengebühren weit in den Schatten.
    Aber was veranlaßt euch zu glauben,

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