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Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Titel: Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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denn zuletzt gehabt? Hast du schon mal in deiner anderen Tasche nachgesehen? Ich bin sicher, daß ich sie dir gegeben habe, damit du auf sie aufpaßt.
    Hermokrates: Wir könnten ja mal Sikanos fragen, vielleicht hat der sie gesehen. He! Sikanos…
     
    Als wir zur Furt des Flusses Dingsda gelangten, stellten wir fest, daß es dort einen Kampf gegeben hatte. Die Syrakuser hatten an dieser Stelle quer über die Straße eine Mauer errichtet, und Nikias’ Männer hatten sie offenbar schon überwunden, denn die Mauer war eingerissen worden und der Boden rings herum von Leichen übersät. Es war unmöglich festzustellen, ob es sich bei den Toten um Syrakuser oder Athener handelte, aber wir waren natürlich der Ansicht, daß es Syrakuser waren. Wir jubelten und schwenkten grölend die Speere in der Luft, als hätten wir diesen Sieg gerade selbst errungen, und plötzlich hatten wir das Gefühl, unsere Haut nun doch noch retten zu können. Von Nikias waren einige Männer zurückgelassen worden, die uns berichteten, daß ihr Feldherr in Richtung des Flusses Erineos vorgestoßen sei, der nur ein Stück weiter vor uns liege. Nikias habe mit ein paar uns freundlich gesinnten Einheimischen gesprochen, die ihm versichert hätten, es sei günstiger, am Fluß ins Landesinnere abzubiegen, weil dies der günstigere Weg in die Berge sei. Die Vorstellung, daß es uns freundlich gesinnte Einheimische gab, die solche Ratschläge erteilten, war unwahrscheinlich beruhigend, und wir brachen sofort zum Erineos auf.
    Jetzt marschierten wir wieder langsamer, als würde uns nichts mehr drängen, und bemerkten, daß wir einen Bärenhunger hatten – und tatsächlich stießen wir auf einen großen Bauernhof mit fünf randvollen Scheunen. Bis auf eine verrückte alte Frau, die die Familie wahrscheinlich dagelassen hatte, um sie von uns umbringen zu lassen, war niemand zu Hause. Da es allmählich Zeit zum Mittagessen war, legten wir eine Rast ein und setzten uns, um zu essen. Ich erinnere mich noch gut an das Stimmengewirr, das sich damals zum erstenmal seit vielen Tagen im Heer erhob. Es klang wie ein Bienenschwarm, der nach einer langen regnerischen Zeit über die Wärme der Sonne in Aufregung geriet. Irgend jemand fand heraus, wo der Bauer seine Weinkrüge vergraben hatte, und wir bedienten uns. Es war fast wie einer dieser Ausflüge mit Essen im Freien, die die Stadtbewohner so gern in die Landschaft rings um Phyle unternehmen.
    Und dann erblickten wir sie plötzlich hinter uns – die syrakusische Reiterei. Ich werde nie vergessen, wie still es auf einmal wurde, als alle – beinahe zwanzigtausend Mann – zu sprechen und zu essen aufhörten und nur noch die Reiter anstarrten. Es war so still, daß ich in weiter Ferne den Ruf eines Wiedehopfs und das Seufzen des Winds in den Bäumen vernahm. Ich habe zwar keine Ahnung, warum, aber in diesem Augenblick wußte ich, daß dies das Ende war. Ich schüttete den Rest Wein aus meinem Becher und klopfte mir den Staub ab.
    Ich glaube, Demosthenes war genauso erschüttert wie wir anderen, aber er fing sich rasch und versuchte, uns in Gefechtsstellung zu bringen, da er an Ort und Stelle kämpfen wollte, um diesem elenden Treiben ein für allemal ein Ende zu setzen. Aber als er überall hin und her rannte und mit seiner beruhigenden, leicht angegriffenen Stimme die Befehle brüllte, rührte sich niemand; man hatte einfach keine Lust mehr und sah keinen Sinn darin. Schließlich standen wir doch noch mürrisch auf und formierten uns schlurfenden Schritts zur Aufstellung, allerdings eher um Demosthenes zufriedenzustellen, als mit der Absicht, in den Kampf zu ziehen. Inzwischen hatten die Syrakuser, bildlich gesprochen, ihren Chor auf die Bühne gebracht, dessen Mitglieder allesamt für die große Schlußnummer bereit waren. Es schienen mehr denn je zu sein, eine endlose Menschenkette, die von weitem wie eine undefinierbare graubraune Masse wirkte.
    Demosthenes hatte neben dem Bauernhaus einen großen ummauerten Obstgarten entdeckt, dessen Mauern er für eine gute Deckung vor den feindlichen Pfeilen hielt. Ich weiß zwar nicht, wie er dort wieder herauszukommen beabsichtigte, aber vielleicht dachte er gar nicht so weit voraus. Als er uns in den Garten führte, bemühten sich die Syrakuser erst gar nicht, uns aufzuhalten, sondern marschierten nur parallel mit uns weiter und lauerten dabei auf uns wie ein Wolf auf seine Beute. Sie warteten, bis wir alle wohlbehalten im Garten angekommen waren, dann griffen sie

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