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Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Titel: Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walloth
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einem gelben Heft in der Hand wieder zurück.
    »O, bitte,« rief er, »nicht etwa vorlesen! Ich kann meine Seelenergüsse nicht anhören.«
    »Sie wunderlicher Kauz! na, Luise, dann lies es für dich. Nur hüten Sie sich, daß Sie in Ihrer Prosa Ihren Styl nicht gar zu bilderreich gestalten, das macht oft den Eindruck des Illuminierten oder Überladenen.«
    »Ja,« gab er zu, »das merk ich selbst; ich möchte halt neue Empfindungen, neue Anschauungen bringen; da greif ich wohl oft fehl?«
    »Sie verfallen dann in denselben Fehler, den Sie an den Modernen tadeln . . .«
    Er gab ihr recht. Die beiden Fräulein hatten indes abgespeist. Luise trug die Schüsseln hinaus, um sie zu spülen, denn sie besorgte die Haushaltungsgeschäfte fast allein. Karl hatte sich erhoben.
    »Ich wollt Ihnen noch was mitteilen, . . .« begann er zögernd.
    »Nun?«
    »Meinem Papa ward von Dr. Simmer Ihr letzter Roman überbracht.«
    »So? und liest ihn Ihr Papa?«
    »Jedenfalls. Dr. Simmer hat ihn gelesen.«
    »Aha! hat ihm natürlich nicht gefallen?«
    »Ist natürlich sittlich entrüstet.«
    »Ja; er gehört ja auch zu den Sittlichkeitsfanatikern.«
    »Er soll ihn ein geradezu verruchtes Buch genannt haben.«
    Emma lachte: »Mein armes Werk, wie hat man dich falsch verstanden! Verrucht! Aber nur weiter, was sagt er noch, der strenge Prediger in der Wüste?«
    »Sie wollten da die neue Moral der Immoralisten der Menschheit preisen und die abscheulichen Sitten des alten Heidentums wieder einführen.«
    »Das freut mich,« frohlockte Emma, »das freut mich ungemein, daß sich die Philister und Pharisäer die Nase an meinem Buch wund stoßen. Jetzt erkenne ich erst, wie hoch sittlich mein Werk ist.«
    »Wenn diese zerstoßenen Nasen,« lächelte Karl, »sich nur nicht in der Apotheke des Staatsanwalts ein Pflaster aufkleben lassen!«
    »Wie? Sie meinen, – Dr. Simmer wolle mein Werk denunzieren?«
    Karl zuckte höhnisch-verächtlich die Schultern. »Sie wissen doch,« sagte er, »diese Wächter von Thron und Altar führen zwar stets das Wort von der christlichen Nächstenliebe im Mund, – in der Hand schwingen sie aber oft das Richtschwert und die Brandfackel.«
    »Allerdings – was ist diesen heiligen Furien die Kunst! Ich bin auf alles gefaßt.« Dann setzte sie gereizt hinzu: »Nun will ich Ihnen aber doch von Ihrem Dr. Simmer einiges erzählen . . .«
    Luise, die gerade eingetreten war, legte sich ins Mittel.
    »Aber Emma,« bat sie leise.
    »Na, schaden könnts ihm nicht,« stieß sie trotzig heraus, »wenn er doch einen richtigen Begriff bekäme von diesen Moralpredigern.«
    »Das wird uns Schülern nichts Neues sein!« meinte Karl trocken. »Wir erzählen uns von einigen unserer Staatspädagogen manche erbaulichen Dinge.«
    »Nun,« fuhr Emma errötend fort, »dann kann ich Ihnen auch sagen, daß mir einer Ihrer Lehrer früher sehr eifrig nachgestellt hat.«
    »So? wer denn?«
    »Nicht Ihr Vater! weiter sag ich nichts! Ich würde ja von diesen menschlichen Schwächen gar kein Aufhebens machen, wenn die Herren auch Nachsicht mit den Schwächen Anderer hätten. Ihre Lehrer verfolgen meine litterarische Tätigkeit schon seit Jahren. Die Herren glauben, wer nicht vom Staatsstempel wissenschaftlich geaicht wurde, dürfe keine Feder führen. Sie wissen, daß man schon Artikel gegen mich losgelassen hat im Tageblatt. Einer hat mir sogar einmal auf der Straße ein Schimpfwort nachgerufen . . . Ich zöge ja am liebsten ganz von hier weg, aber ich kann von der Schriftstellerei allein nicht leben, ich muß Stunden geben, Theaterkritiken schreiben, ein wenig malen, – so bleibt mir nichts anderes übrig als hier auszuharren. Nur werd ich in eine andere Vorstadt ziehen, weit weg von den Wohnungen dieser Herren.«
    Sie sah trotzig und traurig zugleich durchs Fenster. Karl trat einen Schritt näher an sie heran, mit der linken Hand die Ecken seiner Schulhefte nervös umbiegend.
    »Sie haben recht, wenn Sie diese Herren Lehrer nicht leiden können,« platzte er naiv heraus. »Mein Vater ist auch nicht besser als die anderen, heut morgen hat er erst über Sie geschimpft.«
    Verlegen brach er ab, als sie ihm ungehalten den Kopf mit den sich verdüsternden Zügen zuwendete.
    Mit hochrotem Gesicht brachte er dann noch hervor: »Mein Papa gilt im Staatsdienst als großer Pädagog, – er kann aber seine eignen Kinder nicht erziehen. Mich behandelt er ganz verkehrt, auch meinen Bruder versteht er nicht und was spielen sich oft für Szenen

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