Wandernde Welten
sich auf und löste die verschränkten Arme. Der Marsianer ging auf seiner Seite des Gerichtssaals hin und her, den Blick auf Tanoujin gerichtet. »Mit Hinblick auf das eben festgelegte Zeitlimit wollen wir uns auf eine Synopsis der Anklagepunkte beschränken, vorausgesetzt, daß die Verteidigung sich genauso entgegenkommend zeigt und die Anzahl ihrer Widerle-gungen limitiert.«
Tanoujin stand auf. Er wandte Parine den Rücken zu und beugte sich zu Paulas Ohr. »Was soll das bedeuten?« Diesmal sprach er stythisch und kaum hörbar.
»Meistens ist es umgekehrt«, antwortete Paula flüsternd, »die Verteidigung bietet an, den Fall auf zwei oder drei Punkte zu beschränken.« Sie klopfte mit den Fingern auf ihr Knie. »Nehmen Sie den Vorschlag nicht an. Sie sollen reden. Vielleicht erfahren wir dann etwas.«
Er blickte Parine an. Als er sich aufrichtete, hielt er seine schlanken Hände so, daß man deutlich die Klauen an den Fingerspitzen wahrnehmen konnte. Alle Augen waren jetzt auf den riesigen Stythen gerichtet, der langsam auf Parine zutrat. Selbst Richter Wu-wei blickte von seinen schmalen, gefalteten Händen auf.
»Wie Sie wünschen«, sagte Tanoujin langsam und deutlich.
»Damals sind zwei Raumschiffe abgeschossen worden. Es geschah während meiner Wache, und ich habe die Abschüsse befohlen. Alle anderen Punkte der Anklage sind falsch. Ich glaube, damit haben wir unsere Argumente eng genug begrenzt.«
Parine setzte sich auf seinen Stuhl. »Sie versuchen, sich selbst zu überholen, nicht wahr? Bis jetzt sind wir noch nicht bei den einzelnen Anklagepunkten angelangt, sondern es geht um reine Verfahrensfragen.«
»Ach so.« Tanoujin wandte sich dem Richter zu. »Ich werde mich bemühen, die Verhandlung nicht noch einmal durch das Vorbringen von Tatsachen zu stören.« Er blickte wieder Parine an.
»Aber woher wissen Sie eigentlich, daß wir Wert auf Ihre Beweise legen?«
Parine wandte sich indigniert ab. Ein anderer der Marsianer erhob sich. Nein, nicht einer, sondern eine. Erst jetzt bemerkte Paula, daß sich unter Parines Assistenten eine Frau befand. Sie war jung und rothaarig, stellte sie fest. »Es war nicht von Beweisen die Rede«, sagte sie, zum Richter gewandt, »sondern von einer Synopsis unserer Anklagepunkte. Wenn der Angeklagte die ihm zur Last gelegten Verbrechen so bereitwillig zugibt...«
»Einspruch«, sagte Paula. »Das war nicht der Fall.«
Tanoujin wandte sich um, blickte sie an und schüttelte tadelnd den Kopf. Langsam trat er auf den Richtertisch zu. Er mußte sich bücken, um nicht mit dem Kopf gegen die Lampe zu stoßen, die von der Decke herabhing. Unter den Zuschauern brach ein verhaltenes Murmeln aus. Saba runzelte die Stirn.
»Ich brauche Ihre Synopsis nicht«, erklärte Tanoujin. »Ich kenne die Tatsachen.« Seine Fagott-Stimme klang sanfter als vorher, als ob er seiner Sache nicht ganz sicher wäre.
Wu-wei sagte: »Der Verteidiger ist offensichtlich mit der Verfahrensprozedur nicht vertraut. Ich ersuche die Anklage, ihren Antrag zu wiederholen.«
Die rothaarige Frau erhob sich wieder und ging auf den Richtertisch zu. »Euer Exzellenz, unser Beweismaterial ist ausschließlich dokumentarisch. Wenn der Angeklagte sich an die übliche Prozedur hält, könnten wir diesen Fall innerhalb weniger Stunden hinter uns haben.«
Tanoujin trat zwischen sie und den Richtertisch. Ohne ihren Redefluß zu unterbrechen, wich sie vor ihm zurück. Tanoujin machte noch einen Schritt auf sie zu.
»Euer Exzellenz, fordern Sie diesen Mann auf, mich nicht zu bedrängen!«
Paula preßte die Hand vor den Mund. Tanoujin wandte der Marsianerin schweigend den Rücken zu und ging auf seine Seite zurück, wobei er einen weiten Bogen um die Hängelampe machte.
Mit dem Rücken zum Richtertisch sagte er: »Ich brauche diesen ganzen Unsinn nicht. Ich weiß, was auf Luna passiert ist. Wer etwas anderes behauptet, der lügt. Und wozu sollen wir uns Lügen anhören?«
Wu-wei schlug mit den Knöcheln auf die Tischplatte. »Der Antrag Mr. Parines wird abgewiesen.«
Ein anderer Assistent des Anklägers erhob sich von seinem Stuhl. Seine Stimme klang schrill vor Empörung. »Euer Exzellenz, wir verwahren uns ganz energisch gegen das Benehmen des Verteidigers. Sie haben selbst gesehen, daß er sich nicht scheut, zu den niedrigsten Mitteln zu greifen, körperliche Bedrohung eingeschlossen.« Seine Stimme zitterte. »Wir ersuchen das Gericht hiermit, den Verteidiger wegen Mißachtung der Würde des Gerichts
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