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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Nachtlagers
    nicht verschweigend.
    Unser Führer (der Leser wird sich freundlichst seiner
    entsinnen) sah mich leise vorwurfsvoll an und erwi-
    derte dann ruhig: »Sie kennen Boßdorf nicht.«
    »Nein.«

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    »Nun, es ist Liebhaberei, daß er hier festsitzt. Er hat das beste Bier und die besten Betten. Von allem andern rede ich gar nicht. Boßdorf ist ein Name in die-
    sen Gegenden.«
    »Gut denn. Also Boßdorf!«
    Diese Unterredung war zwischen Fährstelle und Dorf
    geführt worden; als wir eben schlüssig geworden,
    hielten wir vor dem Gegenstand unseres Gesprächs.
    Er reichte vielleicht nicht voll an die Höhe heran, die ihm der Lokalpatriotismus unseres Freundes anzu-weisen trachtete, aber er hatte doch, wie ich auf der
    Stelle wahrnehmen konnte, die unerläßlichste aller
    Wirtseigenschaften: er war freundlich. Sein Bier und
    seine Rede lullten mich ein, und ich schlief bis an den hellen Tag. Nur einmal wacht ich auf; ich glaubte in
    einem Trichter zu liegen (was auch zutraf) und hatte
    geträumt, der Schwielow habe mich in seine Tiefe
    gezogen.
    Unter einem Lindenbaum in Front des Hauses wurde
    der Kaffee genommen; die Spatzen musizierten über
    mir; endlich, als sie ihren Mann durchschaut, hüpften
    sie vom Gezweige nieder auf den Tisch und nahmen,
    nach dem Maße meiner Guttat, an meinem Frühstück
    teil. Ich konnt es ohne Opfer tun; es waren Semmeln
    in großem Format. Jenseit des Staketenzaunes ging
    das Leben des Dorfes still-geschäftig seinen Gang:
    junges Volk, die Sense auf der Schulter, eilte zur
    Mahd hinaus; Kinder mit Erdbeeren kamen aus dem
    Walde; Schiffersleute, in weiten Teerjacken, schrit-
    ten auf den See zu. Ein anmutiges Bild. Ich verstand

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    jetzt Boßdorf vollkommen und warum er hier fest-
    sitzt.
    Ein Wagen fuhr vor, ein vollgestopfter Kremser.
    Vormittagsgäste; unverkennbar eine animierte Ge-
    sellschaft. Ältliche Herren, junge Damen; aber nicht
    zu jung.
    Boßdorf sprang an den Wagen. Als er wieder an mir
    vorbei wollte, suchte ich ihn zu fassen und fragte
    leise: »Potsdamer?« Er aber – mit einer Handbewe-
    gung, in der sich eine Welt widerstreitender Empfin-
    dungen: Diensteifer und Geschmeicheltsein, Verle-
    genheit und ironische Schelmerei, aussprach – ant-
    wortete im Vorüberfliegen: » Berliner .«
    Berliner. Es gereichte meiner Menschenkenntnis we-
    nig zur Ehre, diese Tatsache auch nur einen Augen-
    blick verkannt zu haben. Es war Vollblut. Dabei un-
    verkennbar auf einer sogenannten » ernsten Partie«
    begriffen.
    Dieser Ausdruck mag einzelne meiner Leser überra-
    schen; aber es hat seine Richtigkeit damit. Es gibt
    zwei Arten von Landpartien. Da sind zunächst die
    heiteren . Sie sind weithin kenntlich durch ihren starken Prozentsatz an Kindern; nie weniger als die Hälf-
    te. In dem Moment der Landung, wo immer es sei,
    scheint die Welt aus lauter weißgekleideten kleinen
    Mädchen mit rosa Schleifen zu bestehen. Die Väter
    bestellen den Kaffee; das Auge der Mütter gleitet
    befriedigt über die glücklichen Gänseblümchen hin,
    von denen immer drei auf den Namen Anna und

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    sechs auf den Namen Martha hören. Nun geht es in
    die Wiese, den Wald. Die Parole ist ausgegeben:
    Erdbeeren suchen. Alles ist Friede; die ganze Welt
    ein Idyll. Aber schon beginnen die dunklen Wetter zu
    brauen. Mit dem Eintritt in den Wald sind die weißen
    Kleider ihrem Verhängnis verfallen. Martha I. ist an
    einem Wacholderstrauch hängengeblieben, Mart-
    ha II. hat sich in die Blaubeeren gesetzt – wie
    Schneehühner gingen sie hinein, wie Perlhühner
    kommen sie wieder heraus. Der Sturm bricht los.
    Wer je Berliner Mütter in solchen Augenblicken gese-
    hen, wird die kriegerische Haltung der gesamten
    Nation begreiflich finden. Die Väter suchen zu inter-
    venieren. Unglückliche! Jetzt ergießt sich der Strom
    in sein natürliches Bett.
    Und doch sind dies die heitren Landpartien, denen wir die ernsten entgegenstellen. An diesen letzteren
    nehmen Kinder nie teil. Es gibt auch rote Schleifen, aber das Rosa ist Ponceau geworden. Man spricht in
    Pikanterien, in einer Art Geheimsprache, für die nur
    der Kreis der Eingeweihten den Schlüssel hat. Bowle
    und Jeu lösen sich untereinander ab; unglaubliche
    Toaste werden ausgebracht, und längst begrabene
    Gottheiten steigen triumphierend wieder auf. Son-
    derbar. Auf den heitren Landpartien wird immer ge-
    weint, auf den ernsten Landpartien wird immer nur
    gelacht.
    Vor mir, am Staket, hielt eine ernste Landpartie.
    Zwei

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