Wanderungen II. Das Oderland.
»weil ihm die Anwesenheit so vieler Deutschen in Paris an völliger Erlernung der französischen Sprache hinderlich war«.
Seit hundert Jahren ist bei uns »die Armee« die Hohe Schule für die Söhne unserer alten Familien geworden, und so unleugbar der große politische und nationale Fortschritt ist, der in dieser Wandlung der Dinge liegt, so fraglich erscheint es doch, ob dem gegenwärtig Gültigen auch nach der Seite der weltmännischen Bildung hin der Vorzug gebührt. Jene edelmännische Erziehung, die Hans Adam von Schöning erhielt, erweiterte den Blick, während unsere jetzige nur allzusehr geeignet ist, den Blick zu beschränken. Wie vorzüglich auch das sein mag, was daheim gehegt und gepflegt wird, die Isolierung hindert die Wahrnehmung, ob draußen in der Welt nicht vielleicht doch noch ein Vorzüglicheres entstanden ist. Wir haben diesen Fehler einmal in unserer Geschichte schwer gebüßt. Die Armee müßte nur die eine Hälfte unserer adeligen Erziehung sein und die andere Hälfte, nach Vorbild dessen, was früher Sitte war, folgen. Der Eintritt aus des Vaters Edelhof in die Armee und der Rücktritt aus der Armee in den Edelhof – das genügt nicht mehr. Es ist dies einer der Punkte, wo das Bürgertum den Adel, wenigstens den unsrigen, vielfach überholt hat.
Aber wenden wir uns wieder unserm Schöning zu. Bald nach seiner Rückkehr starb sein Vater (1665), und kaum vierundzwanzig Jahr alt, wurde Hans Adam Besitzer von Tamsel. Ziemlich um dieselbe Zeit trat er in kurfürstlichen Dienst, vermählte sich 1670 mit einem Fräulein von Pöllnitz, avancierte rasch, wurde Rittmeister, Oberst, Gouverneur von Spandau und war mit kaum sechsunddreißig Jahren Generalmajor. Dieser seiner Ernennung, die 1677 erfolgte, waren aber bereits kriegerische Ereignisse: eine Campagne am Oberrhein gegen Turenne (wo ihm bei Erstürmung eines festen Platzes die drei äußern Finger der rechten Hand zerschmettert wurden), die Verjagung der Schweden aus der Mark 1) und die Eroberung Stettins, vorausgegangen.
Hans Adam von Schöning war nun Generalmajor. Die beiden ersten Akte des Krieges mit Schweden hatten ausgespielt. Die Marken waren befreit, Stettin erobert. Das folgende Jahr brachte gleiches Waffenglück. Rügen wurde besetzt, und das feste Stralsund, das seit den Tagen Wallensteins für uneinnehmbar gegolten, fiel, nach weniger als einer Woche, in die Hände des Kurfürsten. An allen diesen Waffentaten nahm Hans Adam rühmlichen Anteil; wir folgen ihm aber bei keiner derselben und begleiten ihn vielmehr auf dem weniger durch seine Resultate als durch die glänzende Art der Ausführung berühmt gewordenen »Winterfeldzuge in Preußen«.
Dieser Winterfeldzug, wie er den Schlußakt des Schwedenkrieges bildet, gab auch Schöning zum ersten Male Gelegenheit, sich in hervorragender Weise geltend zu machen. Die Veranlassung zu dieser »Januarcampagne zwischen Pregel und Düna« ist bekannt. Der schwedische General Horn war im November mit 16 000 Mann in Ostpreußen eingefallen, hatte die festen Plätze weggenommen und bedrohte Königsberg. Die Nachricht davon traf den Kurfürsten im Dezember 1678. Sofort beschloß er, durch »einen raschen Ritt« die Schweden ebenso aus Ostpreußen hinauszuwerfen, wie er sie vier Jahre früher aus der Mark hinausgeschlagen hatte. Wenn schon der »Ritt auf Fehrbellin« um seiner Kühnheit willen bewundert worden war, um wieviel mehr mußte dieses neue Kriegsabenteuer in Erstaunen setzen, das bei bitterer Kälte, in unwirtbare Gegenden hinein, unternommen wurde. Am 30. Dezember brach der Kurfürst auf; am 10. Januar 1679 war er in Marienwerder und nahm Musterung über das kleine Heer ab, das er so rasch von der Oder aus bis an die Weichsel geführt hatte. Die Schweden standen am Pregel, dicht vor Königsberg, das durch 3000 Brandenburger unter General Görtzke verteidigt wurde. Vergleiche Seite 221 f.
Die Aufgabe, die sich der Kurfürst gestellt hatte, war ersichtlich die: mit einer Hälfte seiner Truppen die Königsberger Besatzung unter Görtzke zu verstärken, mit der andern Hälfte die Schweden zu umgehen. Dann sollte Görtzke von Königsberg aus angreifen, während der Kurfürst selbst dem Feinde den Rückzug abschneiden und ihn auf einen Schlag vernichten wollte.
Was indessen auf dem berühmten Ritte »vom Rhein bis an den Rhin« möglich gewesen war, nämlich das Verschwiegenbleiben des Unternehmens, das erwies sich als unmöglich auf dem Wege von der Oder bis zur Weichsel:
Weitere Kostenlose Bücher