War against people
als humanitäre Intervention.
Auch damals waren die Vereinigten Staaten isoliert. Die Regierung war natürlich vom
kubanischen Volk, aber auch von der eigenen Bevölkerung isoliert, die töricht genug war,
der Propaganda zu glauben und für Cuba libre zu schwärmen, obwohl ein freies Kuba natürlich
das letzte war, was ihre politischen Führer im Sinn hatten oder, aus anderer Perspektive,
das erste, weil sie genau dies verhindern mußten.
Die hehren Ideale, für die Roosevelt kämpfte, bestanden genau darin: Unabhängigkeit durch
humanitäre Intervention zu verhindern. Jedoch wurden zu der Zeit, als er seine Rede hielt,
1901, die Werte, die wir mittels Gewalt aufrechterhalten mußten, viel dramatischer als in
Kuba bei der Eroberung der Philippinen verfochten. Es handelte sich dabei um einen der
grausamsten Kolonialkriege der Geschichte, in dem Hunderttausende Filipinos ermordet
wurden. Die Presse sah die Ausmaße dieses Massakers sehr wohl, empfahl aber, damit
fortzufahren, »die Eingeborenen auf englische Art« zu töten, damit sie »unsere Waffen
respektieren« und dann auch unsere guten Absichten. Auch dies war eine sogenannte
humanitäre Intervention.
Früchte der Eroberung
Es gab einige Probleme. Präsident McKinley meinte, wir könnten zu diesem Zeitpunkt nicht
behaupten, die Zustimmung der Filipinos zu besitzen, aber das sei unwichtig, weil unser
Gewissen diesen großen Akt der Humanität zugestimmt hat, und das ist es, was wirklich
zählt. Einige wenige lehnten den Krieg mit scharfen Worten ab, wie etwa Mark Twain, dessen
anti-imperialistische Essays allerdings erst 1992 erschienen. Aber McKinley wies daraufhin,
daß »es nicht der richtige Zeitpunkt für den Befreier ist, wichtige Fragen betreffend Freiheit
und Regierung den Befreiten zu überlassen, während sie damit beschäftigt sind, ihre Retter
niederzuschießen«. Warten wir also, bis sie damit aufhören, um ihnen dann alles, was mit der
Freiheit zusammenhängt, zu erklären. Solche Werte wurden zu Beginn des 20. Jahrhunderts
hochgehalten, mit Hunderttausenden von Toten und ungeheurer Zerstörungswut, und das sind
die Werte, von denen es jetzt heißt, wir mußten für sie kämpfen und sie hochhalten, wie es
ein Erbe der Rooseveltschen Werte namens Clinton verkündet.
Man muß schon eine ganze Menge Vertrauen in die politischen Doktrinen der USA setzen,
wenn man solche Worte äußert und davon ausgeht, daß die Menschen nicht empört reagieren.
Aber dieses Vertrauen ist offenbar gerechtfertigt. Meines Wissens gab es keinen Aufschrei
der Empörung, außer in den üblichen Randzonen des geistigen Lebens. Jene Epoche stellte
einen Wendepunkt in der modernen Geschichte dar, sicherlich in der US-amerikanischen,
folglich in der Weltgeschichte. Bis dahin hatten sich die Vereinigten Staaten seit der Revolu-
tion ihrer vordringlichsten Aufgabe gewidmet, die, wie ein führender Diplomatiehistoriker
es 1969 formulierte, darin bestand, »Bäume und Indianer zu fällen und ihre natürlichen Grenzen
abzustecken«. Ein heilsamer Effekt der Bewegung der sechziger Jahre besteht darin, daß heute
kein führender Historiker, ja nicht einmal ein nationalistischer Tollkopf diese Worte mehr
zu äußern wagte. Niemand würde so etwas schreiben. Denken vielleicht, aber nicht äußern.
Nachdem wir nun Bäume und Indianer gefällt und (unsere) natürlichen Grenzen abgesteckt
hatten, mußten wir uns der Eroberung neuer Welten zuwenden. 1888 kündigte Außenminister
James Blaine die nächsten Vorhaben an. Er sagte, es gebe drei Gebiete, die wertvoll genug
seien, um einen schnellen Zugriff zu rechtfertigen: Hawaii, Kuba und Puerto Rico. Ein paar
Jahre später informierte der Minister auf Hawaii Washington, daß »die ha-waiianische Birne
nun ihre volle Reife erreicht« habe. Sie mußte nur noch gepflückt werden, und das taten die
USA, indem sie dem hawaiianischen Volk die Insel durch eine Mischung aus Gewalt und
Betrug entrissen. Das war der erste Schlag. Blaine wiederholte faktisch die Worte, die John
Quincy Adams siebzig Jahre zuvor benutzt hatte, als er Kuba als eine noch nicht »reife Frucht«
beschrieb, die jedoch mit zunehmender Reife »durch die Gesetze der politischen Gravita-
tion« in unsere Hände fallen wird. Das war um 1820.
Das gravierendste Problem im 19. Jahrhundert war die britische Bedrohung. Während des
Kalten Kriegs ging die Bedrohung von der Sowjetunion aus. Aber im 19. Jahrhundert hieß der
Feind, der
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