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War da noch was - Roman

War da noch was - Roman

Titel: War da noch was - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Alliott
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Anwendung dafür sorgten, dass ich zwar nicht mehr wie taufrische sechsundzwanzig – das wäre schlicht unmöglich – aber doch wie eine gepflegte Erscheinung diesseits der Vierzig aussah. Im Moment trug ich nichts weiter als mein bloßes, ungeschminktes Sonntagabendgesicht samt fettiger Haare, das ich normalerweise nur meiner Familie oder einer guten Freundin wie Maggie präsentierte. Die hatte mich auch schon mit offenem Mund und schnarchend gesehen, wenn wir auf der Ladefläche eines Transporters geschlafen hatten und auf den Sonnenaufgang über irgendeinem weit entfernten Brocante warteten. Sie kannte die Spuren der Zeit und die ganzen schwierigen und komplizierten Wechselfälle des Lebens, die sich in mein Gesicht gegraben hatten.
    Aber nicht dieser Mensch hier. Er hatte noch nichts davon gesehen. In diesem Augenblick lösten sich alle düsteren Gedanken an Hal, Letty – selbst an Seffy – in nichts auf. Der Panik nahe sprang ich hinter die Mülltonnen und kramte wie wild in meiner Handtasche herum wie eine alte Dame, die nach ihren Schlüsseln sucht, allerdings war ich auf der Jagd nach meinem Lippenstift. Lippy, Lippy, Lippy. Oh Gott, Lippy! Mit zitternden Händen gelang es mir mühsam, ihn herauszuziehen und aufzudrehen, und gerade wollte ich ihn auftragen – als sich meine Haustür weit öffnete.
    Im Türrahmen stand mit zerzausten blonden Haaren, in einem knittrigen weißen T-Shirt und tief hängenden Jeans, barfuß und gebräunt, und ganz nach den sechsundzwanzig aussehend, die ich nie mehr erreichen würde,
Ivan. Er blinzelte überrascht, während ich im Mondlicht gebückt über einer Mülltonne kauerte, in der einen Hand den Spiegel der Puderdose, in der anderen einen Lippenstift von Chanel mit dem passenden Namen Sunset Rose .
    »Ach, das bist doch du. Ich hatte den Schlüssel in der Tür gehört und konnte mir nicht erklären, warum sie nicht aufging.« Er betrachtete mich in der Dunkelheit. »Warst du schwimmen?«

14
    Ä h, ja.« Schwimmen. Mein Gott, ich sah wirklich schlimm aus. Ich senkte den Kopf und wollte an ihm vorbeischlüpfen. »Muss dringend aufs Klo.«
    »Hey, nicht so schnell«, lachte er und hielt mich mit einer Hand fest, um mich kräftig zu umarmen. »Hast du gar keinen Kuss übrig für deinen Alten?«
    Alt war er ganz gewiss nicht, aber mir gefiel das Possessivpronomen davor, und obwohl es unter dem unbarmherzigen Licht meiner Deckenlampe war, überließ ich mich seiner Umarmung. Ich notierte mir im Geiste, mit geschlossenen Augen, mitten im Kuss, dass ich die Birne herausschrauben musste. Ich hatte bereits alle anderen Birnen aus den Deckenlampen im Haus entfernt, nachdem ich Ivan kennengelernt hatte, und stattdessen überall Tischleuchten mit geringer Wattzahl aufgestellt, aber bis in den Flur war ich noch nicht gelangt. Da war schon mal gar kein Platz für einen Tisch – egal, dann musste sie eben auf dem Boden stehen – aber ich hatte auch nicht damit gerechnet, dass er hier über mich herfallen würde. Ich weiß nicht, warum, immerhin war er schon an den meisten anderen Stellen im Haus über mich hergefallen, und dieser Gedanke war Ivan offensichtlich auch gerade gekommen, während er mir die Jacke auszog und die knapp anderthalb Quadratmeter Teppich kritisch beäugte. Aber das kam nicht in Frage.

    »Einen Augenblick!«, keuchte ich, als ich endlich wieder Luft schnappen konnte. Ich löste mich aus seiner Umarmung und stolperte zur unteren Toilette, wobei ich sorgfältig hinter mir abschloss.
    Glücklicherweise lag hier die volle Auswahl an Schönheitsutensilien bereit – in letzter Zeit hatte ich in den meisten Räumen Make-up parat – und ich machte mich mit Hochdruck an die Arbeit. Nicht die volle Nummer, dachte ich und rubbelte überschüssiges Rouge wieder weg – das wäre vielleicht etwas zu auffällig – aber ich fuhr meine Augen nach, legte Lipgloss auf, neigte den Kopf nach vorne und warf dann die Haare zurück, um ihnen mehr Sprungkraft zu geben. Ich saugte die Wangen ein und beäugte mein Spiegelbild kritisch. Besser. Gegen die Nase, die mein Dad mir mitgegeben hatte, römisch und markant bei einem Mann, bei einer Frau dagegen weniger schmeichelhaft, war nichts zu machen. Ebenso wenig wie gegen mein eher volles Gesicht, aber zum Ausgleich waren meine Lippen ebenso voll, und zusammen mit meinen braunen Augen und dunklen Wimpern ergab das ein üppiges, wenngleich ein wenig schwerfälliges Aussehen. Wenn ich doch nur etwas größer wäre, dachte ich, und

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