Warcraft - 2
über Thralls Aufenthaltsort gegeben, und wieder hatte Blackmoore Durnholde verlassen, um dem nachzuge-hen. In Tarethas Geist standen zwei leidenschaftliche Gedanken miteinander in Konflikt. Zum einen hoffte sie verzweifelt, dass das Ge-rücht unwahr sei, dass sich Thrall Meilen entfernt von dem Ort befand, an dem man ihn angeblich gesehen hatte – zum anderen fühlte sie eine überwältigende Erleichterung, die sie überkam, wann immer Blackmoore fort war.
Sie machte ihren täglichen Spaziergang außerhalb der Festung. Die Gegend war in diesen Tagen sicher. Wegelagerer lauerten im Allgemeinen nur an den Hauptstraßen und in den Wäldern, die sie inzwischen aber so gut kannte, dass ihr nichts geschehen würde.
Sie öffnete ihr Haar, ließ es die Schultern herabfallen und genoss die Freiheit. Es war unziemlich für eine Frau, ihr Haar offen zu tragen, aber Taretha fuhr begeistert mit den Fingern durch die dichte, goldene Masse und schüttelte trotzig den Kopf.
Ihr Blick fiel auf die Striemen an ihren Handgelenken. Instinktiv streckte sie eine Hand aus, um die andere zu bedecken.
Nein. Sie würde ihre eigene Schande nicht verstecken. Taretha zwang sich, die Druckstellen nicht zu verhüllen. Um ihrer Familie willen musste sie sich Blackmoore unterwerfen. Aber sie würde nichts tun, um die Verbrechen zu verbergen, die er beging.
Taretha atmete tief ein. Selbst hierher folgte ihr Blackmoores Schatten. Sie entschloss sich, ihn aus ihren Gedanken zu verbannen, und wandte ihr Gesicht der Sonne zu.
Sie wanderte zu der Höhle hinauf, in der sie sich von Thrall verab-schiedet hatte, und hockte dort eine Weile mit an die Brust gezoge-nen Beinen. Es gab keinerlei Anzeichen dafür, dass irgendjemand außer den Tieren des Waldes hier gewesen war. Dann erhob sie sich und schlenderte zu dem hohlen Baum, in dem Thrall die Halskette verstecken sollte, die sie ihm geschenkt hatte. Als sie in seine schwarzen Tiefen hinab blickte, sah sie dort kein Silber glitzern. Sie war gleichzeitig erleichtert und auch traurig. Taretha vermisste es schrecklich, Thrall Briefe zu schreiben und seine freundlichen, weisen Antworten zu lesen.
Wenn nur die anderen ihres Volkes genauso gefühlt hätten. Sahen sie nicht, dass die Orks keine Bedrohung mehr darstellten? Mit der richtigen Erziehung und ein wenig Respekt konnten die alten Feinde zu wertvollen Verbündete werden. Sie dachte an all das Geld, das in die Lager gesteckt wurde, an die ganze Dummheit und Engstirnigkeit.
Wenn sie doch mit Thrall hätte davonlaufen können …
Als Taretha langsam zur Festung zurückschlenderte, hörte sie ein Hornsignal. Der Herr von Durnholde war zurückgekehrt. Die Leichtigkeit und die Freiheit, die sie gerade noch gespürt hatte, verließen sie wie Blut, das aus einer tiefen Wunde fließt.
Was auch immer geschieht, wenigstens ist Thrall frei , dachte sie. Meine Tage als Sklavin aber liegen noch ohne Ende vor mir.
Thrall kämpfte und aß Gerichte, die auf die traditionelle Weise zubereitet waren. Und er lernte. Bald sprach er fließend Orkisch, wenn auch mit einem starken Akzent. Er nahm an den Jagden Teil und war inzwischen mehr Hilfe denn Behinderung, wenn es darum ging, einen Hirsch zu erlegen. Finger, die trotz ihrer Dicke einen Griffel gemeistert hatten, lernten nun Fallen für Hasen und andere kleinere Tier zu bauen. Jeden Tag wurde er mehr vom Warsong-Clan akzeptiert. Zum ersten Mal in seinem Leben fühlte Thrall, dass er irgendwo hingehörte.
Aber dann kamen die Nachrichten der Späher. Rekshak kehrte eines Abends zurück und blickte noch wütender und griesgrämiger drein als sonst. »Ein Wort, Mylord«, sagte er zu Hellscream.
»Du kannst vor uns allen sprechen«, sagte Hellscream. Sie waren an der Oberfläche und genossen einen frischen Spätherbstabend, während sie sich die Beute schmecken ließen, die Thrall eigenhändig erjagt hatte.
Rekshak warf einen unfrohen Blick in Thralls Richtung, dann grunzte er. »Wie Ihr wünscht. Menschen beginnen die Wälder zu durchkämmen. Sie tragen rot-goldene Livree und führen einen schwarzen Falken in ihrem Banner.«
»Blackmoore!«, keuchte Thrall. Würde dieser Mann denn niemals Ruhe geben? Würde man ihn, Thrall, bis ans Ende der Welt jagen und schließlich in Ketten zurückschleppen, damit Blackmoore sich wieder an ihm ergötzen konnte?
Nein. Eher würde er sich mit eigener Hand das Leben nehmen, als dass er in die Sklaverei zurückkehrte. Es brannte in ihm zu sprechen, doch die Höflichkeit gebot
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