Warte, bis du schlaefst
machte es sich in diesem Sessel mit den Morgenzeitungen bequem, bevor er duschte und sich anzog, um ins Büro zu gehen.
Bücherregale bedeckten die Wand gegenüber den Fenstern. Darin standen gerahmte Fotos von uns vieren aus jenen glücklichen Tagen, als wir noch alle zusammen waren. Dad besaß eine Präsenz, die sich selbst auf zufällig geschossenen Fotos zeigte: das markante Kinn, von dem breiten Lächeln abgemildert, die wache Intelligenz in seinem Blick. Er hatte alles Menschenmögliche unternommen, um Mack ausfindig zu machen, und er würde es immer noch tun, wenn er noch lebte, dessen war ich mir sicher.
Ich öffnete die oberste Schublade seines Schreibtischs und nahm sein Telefonbuch heraus. Auf einem Zettel notierte ich mir die Nummer von Bruce Galbraith. Ich erinnerte mich, dass er im Immobiliengeschäft der Familie in Manhattan tätig war. Ich notierte mir seine geschäftliche und seine private Nummer.
Nick DeMarco, Sohn eines eingewanderten Ehepaars, das ein kleines Restaurant in Queens besaß, hatte als Stipendiat an der Columbia University studiert und später in Harvard seinen Abschluss in BWL gemacht. Wie ich gehört hatte, war er danach ins Restaurantgeschäft eingestiegen, anscheinend mit großem Erfolg. Ich suchte seine geschäftlichen und privaten Telefonnummern sowie die zugehörigen Adressen heraus. Beide befanden sich in Manhattan.
Ich saß an Dads Schreibtisch und griff nach dem Hörer. Ich beschloss, zuerst Bruce anzurufen. Dafür gab es einen Grund. Als ich sechzehn war, hatte ich mich ernsthaft in Nick verliebt. Er und Mack waren besonders eng befreundet, und Mack brachte ihn regelmäßig zum Abendessen
mit. Schon bald konnte ich an nichts anderes mehr denken als an diese Abendessen. Doch dann brachten er und Mack eines Abends eine junge Frau mit. Barbara Hanover studierte im letzten Jahr an der Columbia University und wohnte in demselben Gebäude mit Studentenwohnungen, und mir war sofort klar, dass Nick verrückt nach ihr war.
Obwohl vollkommen am Boden zerstört, wähnte ich mich in dem Glauben, dass ich mir nichts hatte anmerken lassen, doch Mack kannte mich zu gut. Bevor er, Nick und Barbara gingen, nahm er mich beiseite und sagte: »Carolyn, ich weiß, dass du dich in Nick verguckt hast. Vergiss es. Er hat jede Woche eine neue Freundin. Halt dich lieber an die Jungs in deinem Alter.«
Mein zorniges Abstreiten entlockte Mack nur ein Lächeln. »Du wirst schon darüber hinwegkommen«, waren seine Abschiedsworte an jenem Abend. Das war etwa ein halbes Jahr vor seinem Verschwinden, und es war zugleich das letzte Mal, das ich zu Hause blieb, wenn Nick eingeladen war. Ich schämte mich und wollte ihm nicht begegnen. Die Tatsache, dass meine Verliebtheit für Mack so offensichtlich gewesen war, ließ mich befürchten, dass auch alle anderen es mitbekommen hatten. Dankbarerweise sprachen mich weder mein Vater noch meine Mutter je darauf an.
Bei Galbraith Real Estate wurde ich mit der Sekretärin von Bruce verbunden, die mir mitteilte, dass er bis zum nächsten Montag auf einer Geschäftsreise sei. Ob ich eine Nachricht hinterlassen wolle? Ich nannte der Sekretärin meinen Namen und meine Telefonnummer, zögerte und fügte dann hinzu: »Es geht um Mack. Er hat sich kürzlich bei uns gemeldet.«
Danach rief ich Nick an. Sein Büro befand sich in der Park Avenue 400. Das ist etwa eine Viertelstunde zu Fuß von
Sutton Place, dachte ich, als ich die Nummer wählte. Ich geriet an seine Sekretärin, die mir mit gereizter Stimme mitteilte, falls ich von den Medien sei, müsse ich mich mit meinen Fragen an den Anwalt von Mr. DeMarco wenden.
»Ich bin nicht von den Medien«, sagte ich. »Nick war ein Freund meines Bruders an der Columbia University. Es tut mir leid, ich wusste nicht, dass er irgendwelche juristischen Probleme hat.«
Vielleicht war das aufrichtige Mitgefühl in meiner Stimme und der Gebrauch seines Vornamens der Grund dafür, dass seine Sekretärin so offen mit mir sprach. »Mr. DeMarco ist der Besitzer des Woodshed . Das ist das Lokal, in dem neulich Nacht eine junge Frau zuletzt gesehen wurde, bevor sie spurlos verschwand«, erklärte sie. »Wenn Sie mir Ihre Telefonnummer hinterlassen, werde ich ihm sagen, er soll Sie zurückrufen.«
13
Aaron Klein arbeitete jetzt seit vierzehn Jahren für Wallace and Madison. Es war seine erste Stelle gewesen, gleich nachdem er seinen Abschluss in BWL gemacht hatte. Zur damaligen Zeit stand Joshua Madison an der Spitze der in
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