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Warum unsere Kinder Tyrannen werden

Titel: Warum unsere Kinder Tyrannen werden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Winterhoff
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heißt das: Welche psychischen Funktionen müssen unsere Kinder haben? Nur ausgebildete psychische Funktionen können zu einem sinnvoll gelebten Leben des Einzelnen führen und damit auch zur Grundlage einer funktionierenden Gesellschaft, sprich eines zufriedenen und glücklichen Lebens für sich und nachfolgende Generationen werden.
    Wir Erwachsenen müssen uns darüber klar werden, dass das Ziel der Erziehung der Kinder die Möglichkeit der Verselbstständigung sein muss, darunter fallen dann vor allem so große Bereiche wie die Berufsfindung und die Beziehungsfähigkeit. In diesem Sinne fällt unter den Oberbegriff
Erziehung dann auch die Bildung der Psyche, auch wenn wir uns damit vom pädagogisch geprägten Begriff der Erziehung entfernen. Bildung der Psyche bedeutet ständiges Training ihrer Funktionen, und zwar sowohl im Elternhaus als auch in Kindergärten, Schulen und anderen pädagogischen Einrichtungen. Gerade in den Schulen wird in dieser Hinsicht leider sehr kontraproduktiv gearbeitet. Denn das Lernen von grundsätzlichen Verhaltensweisen wie »zuhören«, »aufpassen«, »mitarbeiten« kann nur dann sinnvoll erfolgen, wenn es entsprechende Regeln gibt, die diese Lerneffekte möglich machen. Es müsste also klar sein, dass Schüler nur reden, wenn sie dran sind und vorher aufgezeigt haben, dass sie auf dem Stuhl sitzen bleiben und nicht durch die Klasse wandern oder dass die Beschäftigung mit dem Handy während des Unterrichts verboten ist.

Vom Gesunden zum Krankhaften - Oder: Warum die aktuellen Debatten von falschen Voraussetzungen ausgehen
    Ein Grundproblem der Diskussion über die Fehlentwicklungen unserer Kinder liegt darin, dass grundsätzlich vom Pathologischen her argumentiert wird. Das hat zwei wesentliche Folgen. Zum einen scheint unsere Wahrnehmung auf das Kranke und offensichtlich nicht normal Entwickelte begrenzt zu sein, während wir das Gesunde als selbstverständlich und naturgegeben betrachten. Zum anderen beginnen wir sofort, über Therapiemöglichkeiten nachzudenken, wenn eine Entwicklung als krankhaft diagnostiziert worden ist. Das ehrt zwar denjenigen, der die Störung überhaupt als solche erkennt, bringt uns jedoch letztlich nicht weiter, da der abgetrennte Blick auf den pathologischen Befund denjenigen
auf die gesunde Form verstellt. Während die Symptome behandelt werden, lässt man die Ursachen im Dunklen. Der Grund dafür liegt in einer Verwechslung, die das Symptom zur Ursache für die Störung werden lässt.
    Zudem ist auch im Bereich der Diagnose und Therapie leider festzustellen, dass sich die Maßstäbe verschoben haben. Was früher als pathologisch und somit behandlungsbedürftig erkannt worden wäre, hat heute zum Teil den Status des Normalen angenommen. Das funktioniert nach dem Mehrheitsprinzip: Je mehr Kinder eine bisher als Fehlentwicklung diagnostizierte Störung zeigen, desto eher wird diese Störung schleichend als weniger schlimm, akzeptabel und irgendwann als normales Verhalten empfunden. Die Analyseinstrumente vieler Experten passen sich in der Folge dieser Entwicklung an und erfassen damit viele bedenkliche Phänomene gar nicht mehr.
    Um Beispiele für diese Wahrnehmungsveränderung zu finden, braucht man nicht lange zu suchen, sondern muss sich nur mal in eine normale Unterrichtsstunde einer Schulklasse an einem deutschen Gymnasium setzen. Der ständige Geräuschpegel, der dort herrscht, wäre früher undenkbar gewesen und macht im Grunde ein geregeltes Unterrichtsgespräch so gut wie unmöglich. Irgendein Kind redet immer während des Unterrichts, hört Musik oder macht andere Geräusch erzeugende Dinge, die mit dem Unterricht rein gar nichts zu tun haben. Selbst, wenn das unterschwellig noch als unangenehm empfunden wird, gilt es zumindest als eine hinzunehmende, insofern also »normale« Entwicklung.
    In einer Studie der Universität Passau wurden vor einiger Zeit Auswirkungen zu großer Klassenstärken genau untersucht. Dass der Lärmpegel innerhalb der Klasse dabei eine wesentliche Rolle spielte, kann man sich vorstellen. Interessant war aber zudem, dass Fritz Haselbeck, Pädagoge, Didaktik-Dozent
und Verantwortlicher für die Studie, in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung keineswegs ausschließlich auf das Problem der zu großen Klassen verwies, sondern zusätzlich unter anderem die

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