Was dein Herz nicht weiß
wie wir, in einem so schönen Haus, mit wunderbaren Haushaltsgeräten und edlen Möbeln. Wenn sie etwas aus sich machen will, muss sie einen besseren Arbeitsplatz finden als diese Absteige.«
Dann wandte Eun-Mee sich an Soo-Ja, die noch immer die Tasse in der Hand hielt. Sie hatte noch keinen einzigen Schluck genommen, und die heiße Flüssigkeit drohte überzuschwappen. »Ich bezeichne es als Absteige, weil man einen Ort, an den Männer gehen, um mit Frauen zu schlafen, eine Absteige nennt. Fragen sie dich eigentlich manchmal, ob du ihnen Mädchen besorgen kannst?«
Yul stellte seine Tasse auf den Tisch und erhob sich. »Jetzt hör aber auf, Eun-Mee. Was ist denn heute in dich gefahren?«
»Alles in Ordnung. Du brauchst mich nicht zu verteidigen, Yul«, sagte Soo-Ja. »Tatsächlich sind es nicht die Männer, die sich an mich wenden, sondern die Frauen. Sie fragen mich, ob im Hotel einsame Männer wohnen. Es sind Frauen mit kleinen Kindern oder Witwen oder junge Mädchen, die keine Familien mehr haben. Sie sind hungrig. Manchmal sage ich ihnen, an welche Tür sie klopfen sollen.«
»Die Provisionen sind sicher stattlich«, bemerkte Eun-Mee lächelnd. Anscheinend fühlte sie sich rehabilitiert, da Soo-Ja ihren Verdacht bestätigt hatte.
»Ich nehme keine Provision«, erklärte Soo-Ja und nippte an ihrem Tee, als wäre sie auf einem normalen Sonntagsbesuch bei Freunden. Sie würde Eun-Mee keine Szene machen – darauf wartete die doch bloß.
»Fühlst du dich je versucht, selbst ein paar Won dazuzuverdienen?«, fragte Eun-Mee.
»Eun-Mee!«, schrie Yul. Mit schmerzerfülltem Blick schaute er Soo-Ja an. Die erwiderte seinen Blick und versuchte ihm stumm zu vermitteln: Das schaffe ich schon.
»Nein, Eun-Mee, niemals«, erwiderte Soo-Ja und schaute ihr direkt in die Augen.
»Wirklich? Und wenn es nicht irgend so ein hässlicher Trottel wäre, sondern ein hübscher Kerl, so wie mein Mann? Würdest du für meinen Mann eine Ausnahme machen?«
Voller Entsetzen starrten alle drei auf Eun-Mee. Soo-Ja sah ihre eigene Hand zittern, und der Tee schwappte aus der Tasse auf ihren Schoß und den zotteligen beigefarbenen Teppich. Yul stand auf und zog Eun-Mee aus ihrem Sessel. Sie wehrte sich.
»Du wirst dich sofort bei Soo-Ja entschuldigen«, forderte Yul.
Soo-Ja stellte ihre Tasse auf den Tisch und erhob sich ebenfalls. Sie wollte nicht, dass Yul sich auf ihre Seite stellte – das würde alles nur noch schlimmer machen. Sie wollte das Haus so schnell wie möglich verlassen.
»Das war ein Witz! Ich habe doch bloß einen Witz gemacht«, keuchte Eun-Mee, die sich bemühte, ihren Arm aus Yuls Umklammerung zu ziehen, und ihren Mann trotzig anblickte. »Aber jetzt kannst du wohl sehen, was für eine Frau sie ist!«
»Danke für die Einladung, aber wir müssen jetzt wirklich … «, stammelte Soo-Ja.
Sie spürte, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss. Jetzt war ihr klar, warum Eun-Mee sie eingeladen hatte – um sie bloßzustellen, und zwar auf die gemeinste Art und Weise überhaupt.
»Du hast mein ganzes Leben zerstört«, kreischte Eun-Mee. Und dann, ganz plötzlich, verpasste sie Soo-Ja eine schallende Ohrfeige; das klatschende Geräusch dröhnte unangenehm durchs Zimmer. Soo-Ja verlor die Balance und fiel aufs Sofa.
»Soo-Ja«, rief Yul und eilte ihr zu Hilfe.
Doch Eun-Mee war noch nicht befriedigt und schlug noch einmal nach Soo-Ja. Yul packte sie von hinten und hielt ihr die Arme fest. Er musste seine ganze Kraft aufbieten, um seine Frau von Soo-Ja wegzuziehen, denn Eun-Mee wehrte sich heftig, bäumte sich auf und trat mit den Füßen nach ihrer Rivalin.
Soo-Ja legte die Hand auf ihre schmerzende Wange. Vor lauter Schreck stand ihr der Mund offen. Sie blinzelte verwirrt. Es fühlte sich alles so unwirklich an. Als sie sich die Tränen aus den Augen wischte, sah sie, wie Yul die schreiende Eun-Mee ins Schlafzimmer zerrte. Soo-Ja dachte an das Haus, an den Nachmittag im Park und an Yuls warme Hand.
Ihre Wange schmerzte, als hätte sie sich an glühender Kohle verbrannt. Vermutlich würde sie einen blauen Fleck davontragen – Eun-Mees Handfläche hatte ihre Spuren hinterlassen. Soo-Ja zitterte und keuchte. Eine Stimme in ihrem Inneren wiederholte immer wieder: Steh auf, Soo-Ja. Steh auf.
Die ganze Zeit über hatte Min geschwiegen, sich nicht einen Zentimeter in seinem Sessel bewegt. Während man Yul und Eun-Mee im Schlafzimmer streiten hörte und ihre bösen Worte durch die Luft zischten, wirkte Min verwirrt und fehl
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