Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Was dein Herz nicht weiß

Was dein Herz nicht weiß

Titel: Was dein Herz nicht weiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Park
Vom Netzwerk:
abgestellt hatten, stiegen Soo-Ja und Min aus und zeigten sich ihren etwa zweihundert Gästen. Geleitet von seinen Dienern, nahm das Paar die Anfangsposition ein. Zu den Klängen der zwölfsaitigen Zither drehten die Diener Soo-Ja und Min vorsichtig mit dem Gesicht zueinander, und die beiden verbeugten sich zum ersten Mal – langsam und absolut synchron.
    Als Nächstes musste sich das Brautpaar gegenseitig eine Schale mit Reiswein darbieten. Während Min die Schale langsam auszutrinken hatte, gebot die Tradition, dass Soo-Ja nur einen kleinen Schluck nehmen und verlegen die Schale zurückgeben sollte, aber zur allgemeinen Überraschung trank Soo-Ja alles in einem Zug aus und zeigte genüsslich, wie sehr es ihr schmeckte.
    Unterdessen nahmen Mins Eltern wie erfahrene Schauspieler ihren Platz auf dem Boden ein. Das Brautpaar wandte sich ihnen zu und vollführte eine lange, aufwendige Verbeugung. Dann trat Soo-Ja mit kurzen Schritten, den Blick zu Boden gerichtet, zu ihnen und offerierte auch ihnen Wein. Mins Vater deutete eine Verneigung an und nahm die Gabe entgegen. Die Dienerin füllte die Schale wieder auf, damit Soo-Ja auch ihrer künftigen Schwiegermutter vom Wein anbieten konnte, und diese nahm feierlich einen kleinen Schluck.
    Damit war Soo-Jas Aufgabe erfüllt, und sie stand wieder auf, während Mins Vater einige rote Datteln in die Luft warf. Sie hatte Schwierigkeiten, an ihren Platz zurückzugehen, denn sie musste die Arme in einer unbequemen Position halten und gleichzeitig den schweren Seidenstoff ihres Gewands unter Kontrolle bringen.
    Min, der einige Schritte vor ihr ging, schien Soo-Jas Anwesenheit gar nicht richtig zu bemerken und wäre ihr beinahe davongelaufen.
    Während des anschließenden Essens erzählte Soo-Ja ihrer Freundin Jae-Hwa, wie peinlich dieser Moment für sie gewesen war, doch Jae-Hwa erwiderte, sie solle sich deswegen nicht so anstellen, sie habe nämlich großartig ausgesehen, und außerdem sei es eine der schönsten Zeremonien gewesen, die sie bis jetzt erlebt habe.
    Wenn eine junge Frau heiratet, gebietet der Brauch, dass sie drei Tage mit ihren eigenen Eltern verbringt und danach mit ihrem Ehemann bei seinen Eltern lebt. Doch als Soo-Ja das Tor von Mins Anwesen durchschritt, kam sie sich vor wie ein Eindringling. Niemand aus der Familie ihres Mannes war aufgeblieben, um sie zu begrüßen, und sowohl das Haupthaus als auch die angrenzenden Gebäude lagen im Dunkeln. Alle Lichter waren ausgeschaltet, auch die im Hof. Sie musste sich langsam vortasten, um nicht zu stolpern. Min hatte keine Schwierigkeiten, denn er war es so gewohnt, aber er kümmerte sich nicht um sie, und schließlich musste sie ihn bitten, etwas langsamer zu gehen.
    Soo-Ja folgte Min an einem kleinen Garten vorbei in den rückwärtigen Teil des Anwesens. Dort angekommen, sah sie, wo das Haupthaus endete und Mins eigenes, direkt daneben liegendes Haus begann. Es war einstöckig und genauso bescheiden und unaufdringlich wie ein entfernter Cousin. Min und Soo-Ja hatten zwei Zimmer für sich allein; eines, in dem er Besucher empfangen konnte, und ein weiteres, in dem sie schlafen würden. Küche und Esszimmer lagen im Haupthaus und waren für alle Bewohner des Anwesens zu nutzen, und von Soo-Ja wurde erwartet, dass sie beim Kochen half. Das Toilettenhäuschen auf der anderen Hofseite wurde ebenfalls gemeinschaftlich benutzt.
    Als sie in Mins Haus traten, wartete Soo-Ja darauf, dass er Licht machte, aber sie wartete vergeblich. Also suchte sie selbst nach der Lampe und schaltete sie ein. Min sah sie an, als hätte sie etwas falsch gemacht.
    »Das darfst du nicht.«
    »Was darf ich nicht? Die Lampe anmachen?«
    »Meine Mutter mag es nicht, wenn wir Strom verschwenden«, erklärte er und deutete auf die Lampe.
    »Aber es ist dunkel.«
    »Ich weiß. Wir sollten schlafen. Mach das Licht aus.«
    »Aber ich kann nichts sehen. Wie soll ich denn die Decken finden?«
    »Sie sind dahinten, oben auf dem Schrank. Und jetzt mach es aus, sonst sieht meine Mutter das Licht«, sagte Min und zeigte wieder auf die Lampe.
    »Ist sie denn noch wach?«
    »Sie ist im Haus und betet.«
    »Wofür betet sie?«, fragte Soo-Ja verwirrt.
    »Was glaubst du denn?«, gab Min schroff zurück.
    Für einen Enkelsohn, natürlich. Und das bereits wenige Tage nach ihrer Hochzeit. Die Schwiegermutter betete von da an jeden Abend, bis Soo-Ja ihr die erlösende Nachricht überbrachte, dass sie ein Kind erwartete. Manchmal betete sie sogar laut vor dem Haus,

Weitere Kostenlose Bücher