Was dein Herz nicht weiß
verheiratet«, erklärte Yul, bevor Soo-Ja etwas sagen konnte.
Die Kellnerin schien verwirrt. » Ay , Sie sehen aber wirklich aus wie Ehemann und Ehefrau«, sagte sie, das Lächeln nun ausgeknipst, und kehrte an die Seite ihres Vaters zurück, nicht jedoch, ohne ab und zu verstohlene Blicke auf die beiden zu werfen. Ihre Worte hingen schwer im Raum.
»Ich möchte weitersuchen«, erklärte Soo-Ja und stand von ihrem Sitz auf. »Du kannst hierbleiben und deine Suppe essen.«
Yul streckte die Hand aus, als wollte er sie wieder auf ihren Stuhl zurückziehen. Aber sobald seine Hand ihren Arm berührte – er war echt, aus Fleisch und Blut, kein Trugbild – , schien er den Mut zu verlieren und zog seinen Widerspruch zurück. »Ich werde mit dir kommen«, sagte er und erhob sich ebenfalls.
Wieder am Marktplatz hatte Soo-Ja das Gefühl, sie hätte schon immer dort gelebt. Sie erkannte die Obsthändler wieder, die sich auf dem Platz niedergelassen hatten, und die alten Männer, die auf umgedrehten Kisten saßen und Janggi spielten.In den Buden nahmen die Frauen mit atembe raubender Geschicklichkeit die Fische aus , während die Männer mit blutigen Schürzen um den Bauch die Preise ausriefen. Auf den Tresen glänzte der Fang – Barben, Makrelenhechte, Stechrochen und Meerbrassen – in der Nachmittagssonne.
Müde aussehende Kunden mit Strohkörben ignorierten Soo-Ja und gingen auf dem überfüllten Markt eilig an ihr vorbei. Doch Yul blieb bei ihr, während sie die Leute nach ihrer Tochter fragte. Wenn er dabei war, waren die Menschen kooperativer. Sie schienen jetzt tatsächlich kurz nachzudenken, bevor sie verneinten, und zeigten Bedauern anstatt Zurückweisung. Mit jedem weiteren Nein reagierte Yul genauso enttäuscht wie Soo-Ja, und dafür liebte sie ihn – dafür, dass er fühlen konnte, was sie fühlte. Es war, als könnte er dadurch ihren Schmerz lindern.
Die Sonne begann zu sinken, und Soo-Ja machte sich auf den Weg zur anderen Seite des Marktes. Während sie einen Augenblick pausierte, um Atem zu schöpfen, bemerkte sie eine alte Frau, die vor einem Tabakladen stand und mit heftigen Zügen den Rauch ihrer Zigarette ausstieß. Sie trug ihr graues Haar straff zurückgekämmt und zeigte auf diese Weise ihr tief gebräuntes, von Falten zerfurchtes Gesicht. Soo-Ja versuchte, nicht hinüberzuschauen. Aber die alte Frau hielt den Blick auf sie gerichtet.
»Wer ist diese Frau?«, hörte Soo-Ja sie die Ladeninhaberin fragen. »Warum läuft sie hier so herum?«
»Sie hat ihre Tochter verloren«, antwortete die andere.
»Wann?«
»Ich weiß nicht, ich habe sie gestern Abend zum ersten Mal gesehen.«
»Wie sah ihre Tochter denn aus?«
Die Ladeninhaberin hatte Soo-Jas Beschreibung von Hana so oft gehört, dass sie die Worte auswendig wusste. »Sie sieht aus wie das Kind eines reichen Mannes. Nettes rotes Jäckchen mit Kapuze, hübsche, bestickte Handschuhe, schwere, robuste Lederschuhe, ein goldfarbenes Band im Haar. Drei Jahre alt.«
»Drei Jahre alt«, wiederholte die alte Frau gedankenversunken.
Das ist also aus mir geworden, eine interessante Geschichte. Sie würde den Rest ihres Lebens damit verbringen müssen, diese Straßen zu durchstreifen, während alle Neuankömmlinge in der Stadt sie neugierig musterten. Irgendwer würde ihnen Soo-Jas Geschichte erzählen, und dann würden sie sie mitleidig betrachten, insgeheim froh, dass sie nicht dasselbe Schicksal erlitten hatten. Sie war ein Teil des Marktes geworden, wie die Kerben in den Holzbänken oder die Rostflecken auf den Laternenpfählen. Bevor sie sich wieder auf den Weg machte, schaute Soo-Ja ein letztes Mal zu der alten Frau hinüber, und jetzt begegneten sich ihre Blicke. In den Augen der Frau lag ein flüchtiges Zeichen des Wiedererkennens, als hätte sie Soo-Jas Gesicht schon einmal gesehen, es aber nicht einordnen können. Soo-Ja wusste nicht warum, aber sie begann, auf die alte Frau zuzugehen, wie unter Zwang, und diese kam ihr entgegen. Als sie voreinander standen, empfand Soo-Ja den leichten Schauder einer Vorahnung. Sie wusste, sie hatte jemanden getroffen, der von großer Bedeutung für sie sein würde.
»Sie haben großes Glück«, sagte die Alte. Sie nannte ihren Namen nicht und fragte auch nicht nach Soo-Jas.
»Warum?«, wollte Soo-Ja wissen.
Yul war stehen geblieben und beobachtete sie aus einiger Entfernung.
»Sie haben Glück … dass ich rauche«, erläuterte die alte Frau und verstreute etwas Asche auf den Boden.
»Bitte erklären
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