Was dein Herz verspricht
Gedanken sind so durcheinander. Ich weiß kaum, was für einen Tag wir haben.«
Elizabeth kam herüber und faßte sie an den Schultern. »Hör mir gut zu, Margaret Warring. Ich glaube keine Sekunde, daß du in ein Kloster gehörst. Du hast der Welt soviel zu geben. Nicholas sagte, du wolltest gern Kinder. Die kannst du immer noch haben, Maggie. Dem richtigen Mann ist der Skandal egal. Er wird sich nur für dich interessieren.« Sie schüttelte Maggie sanft. »Denke auch an deinen Bruder. Nicholas braucht dich. Du kannst ihn nicht aufgeben.«
Maggie schauderte und spürte einen Anflug von Scham. »Ich weiß. Nur manchmal...«
»Manchmal ist es einfach schwierig.«
Sie nickte. »Ja. Manchmal ist es einfach schwierig.«
»Aber du kannst nicht einfach davonlaufen, Maggie, und zum zweitenmal deine Träume aufgeben.«
Maggie schaute aus dem Fenster, hörte den Zeitungsjungen rufen und Kinder im Hof nebenan spielen. Elizabeth hatte recht. Maggie war schon einmal davongelaufen, und der Preis war höher gewesen, als sie sich vorgestellt hatte. Diesmal würde sie bleiben und kämpfen, selbst wenn das bedeutete, daß sie allein leben mußte.
Sie stand auf und stellte den Sherry weg. »Meine Kutsche steht noch draußen. Ich werde Elias und Theo sagen, daß wir sie brauchen, um uns zum Gefängnis zu begleiten.«
Die Anspannung in Elizabeth’ schmalen Schultern ließ etwas nach. »Ich hole nur schnell meinen Umhang und treffe dich unten im Flur.«
Maggie sah ihr hinterher und wandte sich dann ebenfalls der Tür zu. Wochenlang hatte sie ihre neugewonnene Freiheit genossen und dabei ganz vergessen, wie sehr sich ihr Herz nach einem eigenen Heim, Mann und Kindern sehnte. Jetzt, nachdem sie die Chance verpaßt hatte, bemerkte sie erst, wie wichtig diese Dinge ihr gewesen waren.
Dafür war es zu spät, aber wie Elizabeth gesagt hatte, mußte sie an ihren Bruder denken. Er brauchte sie mehr als je zuvor. Was es auch kosten mochte, diesmal würde sie bleiben und den Drachen bekämpfen.
Nick lehnte sich an die rauhe Wand seiner Zelle in Newgate. Draußen schien die Sonne, und trotzdem war es eiskalt in den feuchten, dicken Mauern. Er war auf der Herrenseite des Gefängnisses untergebracht - es hatte gewisse Vorzüge, ein reicher Graf zu sein.
Doch der fadenscheinige Teppich trug kaum dazu bei, daß der kalte Steinboden wärmer wurde, und die angeschlagenen Stühle und der zerkratzte Tisch ersetzten die Bequemlichkeit eines Heims kaum, genauso wie die klumpige Matratze ihn kaum schlafen ließ.
Und doch war es immer noch Klassen besser als das, wie die anderen vegetieren mußten. Und es war besser als das, wie er vor neun Jahren untergebracht gewesen war.
Die Erinnerungen an damals lagen wie ein kalter Stein in seinem Magen. Hängematten an Bord des Transportschiffes, die so nah beieinander hingen, daß die stinkende, feuchte Luft kaum noch zum Atmen taugte. Von Maden wimmelndes Fleisch, der Geruch nach ungewaschenen Leuten. Knochenarbeit von morgens bis abends, Wanzen, Hitze. Doch diese Zeit war vorüber, er wollte nicht mehr daran denken. Egal was geschah, dieses Schicksal erwartete ihn nicht noch einmal.
Wenn sie ihn für schuldig befanden, würde er hängen.
Nick ging hinüber zu der kleinen, vergitterten Fensteröffnung. Im Winter würde sie mit Lumpen verstopft sein, doch jetzt ließ sie frische Luft herein und ließ ihn einen beengten Blick auf die Türme und Zinnen Londons werfen.
Er konnte Elizabeth’ Haus in der Maddox Street nicht sehen, doch wenn er die Augen schloß, konnte er sich vorstellen, er wäre dort, läge neben ihr in ihrem großen Federbett, berühre sie. Und sie lächelte und beugte sich vor, um ihn zu küssen. Er konnte sich noch viel mehr vorstellen, doch das würde den Schmerz ihrer Abwesenheit schlimmer machen.
Also starrte er aus dem Fenster. Er fragte sich, was wohl aus ihm werden würde, wie lange er hier auf seine Verhandlung warten mußte, ob er in ein paar Monaten noch hier sein würde.
Oder tot.
Ein Klopfen an der Tür lenkte ihn von seinen morbiden Gedanken ab. Ein Wächter drehte den Schlüssel im rostigen Schloß und öffnete die knirschende Tür. »Ein Besucher, Mylord.«
Ein hochgewachsener, wettergegerbter Mann mit silberdurchzogenem schwarzem Haar stand draußen. Nicholas lächelte. »Elias - danke, daß du gekommen bist, mein Freund.«
»Gut Euch zu sehen, Nick, mein Junge.« Die beiden schüttelten sich die Hände. »Ich war gestern auch hier, aber sie wollten mich nich’
Weitere Kostenlose Bücher