Was Die Liebe Naehrt
– nicht nur ein Bild von ihm. Die Therapeutin Bärbel Wardetzki meint, heute sei die
narzisstische Liebe weit verbreitet. In der narzisstischen Liebe liebe ich immer das eigene Bild im anderen. Ich berühre und liebe nicht den anderen,
sondern letztlich immer mich selbst: »Eine narzisstische Liebe dient der Erhöhung des eigenen Selbstwertgefühls. Deshalb sind die Partner auch oft so
schnell austauschbar.« Wenn sie nicht mehr mein eigenes Selbstbild erhöhen, dann suche ich die nächste Partnerin, in deren Glanz ich meinen eigenen Glanz
den Menschen zur Schau stelle.
Lebendigkeit erfahren
Spiritualität will mich für Gott öffnen. Der Gott, den Jesus verkündet, ist aber ein Gott des Lebens. Im Johannesevangelium sagt er
von sich: »Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben« (Joh 10,10). Spiritualität zeigt sich also in der Beziehung dort, wo sie
voller Lebendigkeit ist. Das kann man auf unterschiedliche Art und Weise sehen. Einmal kann man sagen, dass die Offenheit für Gott die Beziehung zwischen
Mann und Frau lebendig hält. Beide ersticken nicht in der Enge ihres eigenen begrenzten Horizontes. Sie leben vor dem offenen Horizont des Himmels, vor
dem offenen Horizont Gottes. Zum anderen kann man aber auch sagen: Überall dort, wo ein Ehepaar in der Beziehung zueinander Lebendigkeit erfährt, wo die
Ehepartner phantasievoll miteinander umgehen,wo die erotische und sexuelle Dimension ihres Lebens voller Phantasie, Kreativität und Lust
ist, dort erfahren sie auch Gott als die Tiefe ihrer Lebendigkeit.
Das Leben, das Jesus uns im Johannesevangelium verheißt, nennt er selbst »ewiges Leben«. Das ewige Leben ist nicht erst das Leben, das uns nach dem Tod
erwartet. Es ist vielmehr das Leben, in dem jetzt schon Zeit und Ewigkeit zusammenfallen. Diese Qualität des Lebens kann ich wahrnehmen,
indem ich versuche, achtsam und ganz im Augenblick zu sein. Viele Beziehungen kranken daran, dass der Partner nicht beim anderen ist, sondern noch bei
seiner Arbeit oder bei den Sorgen, die er sich um die Zukunft macht. Lebendig wird eine Beziehung durch Achtsamkeit. Das bedeutet: Ich achte auf mich, auf
meine Gefühle und Regungen. Und ich achte auf die Regungen und Bedürfnisse des anderen. Ich spüre mich in ihn hinein. Ich lege ihn nicht fest auf ein
Bild, sondern bin bereit, mich in sein Inneres zu versetzen, mir vorzustellen, wonach er sich sehnt, wie es ihm geht, was er fühlt. Achtsamkeit ist heute
einer der wichtigsten spirituellen Begriffe. Alle geistlichen Autoren mahnen uns zur Achtsamkeit: Gott, dem Augenblick und dem Mitmenschen gegenüber. Es
gilt, diese Achtsamkeit auch in der Beziehung zum Partner zu üben. Achten hat mit Wachen zu tun. Wir schlafen oft. Wir haben uns eingelullt mit
irgendwelchen Vorstellungen vom Leben und vom anderen. Achtsam leben heißt: aufwachen, die Augen aufmachen und den anderen so anschauen, als ob man ihn
noch nie gesehen hat. Es bedeutet: jemanden nicht nur mit äußeren Augen anzuschauen, sondern mit den Augen des Herzens.
Intuition – Zugang zum anderen
Ein anderer spiritueller Begriff ist der der Intuition. Intuition kommt von intueri , nach innen schauen. Ich brauche die
Intuition, um in mir zu spüren, was für mich stimmig ist. Aber die Intuition hilft mir auch, Zugang zu den tieferen Schichten des anderen zu bekommen. Wir
sind auch in der Partnerschaft oft in Gefahr, nur das Äußere zu sehen, unsern Partner nur nach seinem Verhalten zu bewerten, etwa danach, ob er gespült
und aufgeräumt hat oder ob er den Rasen gemäht und die Spülmaschine repariert hat. Intuition braucht Zeiten der Stille, damit ich ohne Vorurteil auf den
anderen schaue und in ihn hineinschaue. Dann komme ich in Berührung mit den inneren Bildern, die in seiner Seele ruhen und die seinem wahren Wesen
entsprechen. Ich werde frei von meinen Vorurteilen und von meinen Projektionen und habe Zugang zum Herzen des anderen. Das gibt der Beziehung eine neue
Dimension.
Der hl. Benedikt beschreibt das, was die heutige Spiritualität und Psychologie Intuition nennen, als »das Schauen Christi im anderen«. Die Mönche – so
fordert Benedikt – sollen in jedem Bruder und in jeder Schwester Christus sehen. Sie sollen ihn nicht festlegen auf sein Verhalten, auf seine Worte, auf
seine momentane Ausstrahlung. Sie sollen vielmehr im Glauben tiefer sehen und auf den Grund des anderen schauen. Dort werden sie etwas in ihm entdecken,
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