Was Die Liebe Naehrt
Scheide der Frau eindringt, in ihren intimsten Bereich. Die Worte Jesu sind
erotisch gefärbt. Sie nehmen die erotische Erfahrung zum Anlass für das Ziel des Glaubens: in Jesu Liebe zu wohnen, in dem intimsten Bereich seines
Herzens Wohnung zu nehmen.
Man hat Paulus oft ein zwiespältiges Verhältnis zur Sexualität vorgeworfen. Doch wenn wir seine Sätze vor dem Hintergrund des korinthischen Umfeldes
lesen, enthalten sie erstaunliche Aussagen über die Beziehung zwischen Sexualität und Spiritualität. Die Korinther meinen, dass wir dem Leib einfach geben
sollen, was er braucht. Wenn er Hunger hat, sollen wir essen. Wenn er sexuelle Bedürfnisse hat, sollen wir sie stillen. Dagegen wehrt sich Paulus. »Der
Leib ist nichts Nebensächliches, er gehört wesentlich zum Personsein des Menschen hinzu.« Das hebt der Exeget Hans J. Klauck in seinem Kommentar zum
Korintherbrief hervor. Paulus argumentiert also nicht mit Leibfeindlichkeit, sondern mit Leibfreundlichkeit. Der Leib ist ein wichtiger Ort der
Gotteserfahrung. Mit unserem Leib, mit unserer ganzen Person gehören wir Christus. Daher können wir unseren Leib nicht aus unserer Beziehung zu Christus
und zur christlichen Gemeinde, die ja auch der Leib Christi ist, herausnehmen. Die Korinther argumentieren, dass das Ausleben der Sexualität unsere
Beziehung zu Christus gar nicht berührt. Mit dieser Argumentation haben damals die Korinther ihre großzügige Einstellunggegenüber der
weit verbreiteten Prostitution gerechtfertigt. In Korinth gab es viele Dirnen. Und manche Christen meinten, wenn sie zu einer Prostituierten gingen, hätte
das überhaupt keine Auswirkung auf ihre Beziehung zu Jesus Christus und zur christlichen Gemeinde als dem Leib Christi. Paulus hält dagegen an der Würde
des Leibes und seiner Beziehung zu Jesus Christus fest. Die Sexualität ist Ausdruck des Leibes und damit Ausdruck der ganzen Person des Menschen. Meine
Beziehung zu Christus betrifft auch meinen Umgang mit dem Leib. Daher berührt meine Spiritualität auch meinen Umgang mit der Sexualität. Nur wenn ich
meine Sexualität ganz personal lebe, wenn meine ganze Person sich mit ihrer Liebe darin ausdrückt und den anderen als Person meint, lebe ich sie
angemessen. Wer von seiner Sexualität beherrscht wird, lebt sie nicht als Person. Die innere Freiheit und die Freiheit vom Ego gehören zur erfüllten
Sexualität. Das sind aber letztlich spirituelle Haltungen: Die sexuelle Hingabe an den anderen ist nur möglich, wenn ich mein Ego loslasse, mich ganz an
den anderen und in den anderen hingebe und mich so in die Liebe und letztlich in Gott hinein hingebe.
Was die Liebe stärkt
Elemente einer spirituellen Beziehungskultur
Im ersten Teil habe ich über die Beziehungslosigkeit als die Krankheit des heutigen Menschen nachgedacht. Die Frage ist aber nicht
nur, was unsere Beziehungen gefährdet. Wichtig ist auch, was sie fördert. Ich möchte einige Themenbereiche, die in jeder Ehe und in vielen Paarbeziehungen
eine Rolle spielen, anschauen. Ich will und kann auch diese Themen nicht systematisch abhandeln und will auch nicht so tun, als ob ich für alle
Spannungsfelder eine Lösung wüsste. Ich möchte sie allerdings ansprechen und die Gedanken weitergeben, die mir für die Skizzierung einer positiven
Beziehungskultur wichtig erscheinen.
Zunächst geht es um die Frage, was Spiritualität in der Beziehung überhaupt meint. Erschöpft sie sich darin, dass die beiden Ehepartner im gleichen
Glauben oder einer gemeinsamen religiösen Praxis beheimatet sind? Ist Spiritualität ein frommes Pflaster auf die ehelichen Konflikte? Ist sie mehr als die
Forderung, einander zu lieben und sich zu vertragen und zu ertragen? Würde sie sich darauf beschränken, wäre sie nicht viel mehr als ein moralisierendes
Postulat. Ein äußerer Ordnungsrahmen, wie ihn die Ethik einfordert, kann durchaus eine Hilfe sein, damit die Ehe oder eine verbindliche Partnerschaft
gelingt. Aber Spiritualität in der Beziehung meint mehr.
Befreit von Bildern
In einer kleinen Skizze mit dem Titel »Wenn Herr K. einen Menschen liebte« hat Bertolt Brecht auf den Punkt gebracht, was Beziehungen
oft scheitern lässt: »Was tun Sie«, wurde Herr K. gefragt, »wenn Sie einen Menschen lieben?« »Ich mache einen Entwurf von ihm«, sagte Herr K., »und sorge,
dass er ihm ähnlich wird.« »Wer? Der Entwurf?« »Nein«, sagte Herr K., »der Mensch«. Sich ein Bild vom anderen zurecht
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