Was die Nacht verheißt
die wollte nicht.
»Ich bin nicht wie du, Brandy Charleston ist meine Heimat, und ich habe nicht den geringsten Wunsch, hier wegzugehen. Abgesehen davon ist Will hier und braucht mich.«
»Ich brauche dich«, hatte Brandy eingeworfen. »Aus der Sache mit Will wird doch nie etwas. Wenn du Weggehen würdest, könntest du vielleicht jemand anderen finden.«
Flo lächelte traurig. »Ich habe dir doch gesagt - für mich gibt es keinen anderen.«
Brandy widersprach ihr nicht, sondern nahm sie in den
Arm, wünschte Florence alles Gute mit dem Wirtshaus, ließ ihre Freundin versprechen, dass sie ihr schreiben würde oder wenigstens jemanden finden, der das für sie machte, da sie selbst es nie gelernt hatte, und dann stellte sie Sally an, mit ihr nach England zu kommen.
Es war nicht leicht gewesen, nur zwei Frauen allein, aber wenigstens war sie nicht wie beim ersten Mal seekrank geworden, und das Schiff hatte London schließlich erreicht. Marcus hatte ihr die Adresse seines Bruders gegeben, bevor er Charleston verließ. Also fuhr sie von der Hauptstadt aus dorthin, hatte das Glück, ein kleines Haus in gutem Zustand zu finden, auf einem Stück Land, das direkt an die riesigen Ländereien des Grafen grenzte, und war eingezogen.
Als sie jetzt das Band ihrer schmalen Haube unter dem Kinn verknotete und die langen lila Federn glatt strich, erinnerte sie sich an den niedergeschlagenen Mann, den sie in jenem Salon gesehen hatte, und dachte, dass, sollte es je eine Möglichkeit geben, ihm zu helfen, jede Mühe, die sie hatte durchstehen müssen, die Sache wert gewesen war.
«Werdet Ihr zum Abendessen nach Hause kommen, Miss Brandy?«
»Ich denk schon. Der Kapitän wird sich sicher nicht freuen, mich zu sehen, und ich bin mir nicht klar, wie viel von seiner schlechten Laune ich mir an tun mag.«
Sally lächelte freundlich. »Ihr werdet es schon schaffen. Ich bin ganz sicher.«
Brandy erwiderte das Lächeln. »Das wollen wir hoffen, Sally« Sie wünschte innig, das Mädchen möge Recht haben, aber in ihrem Herzen war sie sich nicht so sicher.
Marcus rutschte in seinem Sessel vor dem Kamin in seinem großen Schlafzimmer hin und her. Er hatte nie gedacht, dass er in dem Staatszimmer übernachten würde, und hätte es vorgezogen, weiterhin sein altes, weniger prächtiges Schlafzimmer zu benutzen. Aber jetzt war er der Graf von Hawksmoor, und die Bediensteten würden entsetzt sein, wenn er nicht die Herrensuite bewohnte.
Die Möbel waren ihm kaum aufgefallen, als sein Vater und seine Mutter noch in diesem Teil des Hauses gewohnt hatten. Jetzt erkannte er jede Falte in der Bettdecke aus Goldbrokat und den burgunderroten Bettvorhängen, aber auch in den Vorhängen am Fenster.
Das Zimmer war extrem elegant, und doch empfand es Marcus als samtbespanntes Gefängnis. Er saß da und wartete darauf, dass sein Kammerdiener ihm beim Anziehen half, denn er brauchte die Hilfe des Mannes selbst bei den einfachsten Verrichtungen. Glücklicherweise war Frederick ein kräftiger Mann, fähig und treu. Und er hatte klar darauf bestanden, dass er für die Bedürfnisse des Herrn des Hauses sorgen würde.
Marcus’ Inneres zog sich zusammen. Wie ein Kind, dachte er. Abhängig von den Menschen um ihn her, nicht mehr in der Lage, für sich selbst zu sorgen. Unwillkürlich streckte er die Hände aus und rieb sich die nutzlosen Beine. In seinen finstersten Fantasien hätte er sich nie vorstellen können, dass sein Leben einmal eine solche Wendung nehmen könnte.
Sein Leben. Im Stillen spuckte er die Worte förmlich aus. Er hatte kein Leben, gar keines. Und er würde auch nie wieder eines haben. Er rutschte in dem Sessel hin und her und wartete, dass Frederick mit frischen Kleidern zurückkam. Die letzten hatte er zwei Tage lang getragen, nur um sich aufzulehnen, um irgendwie dem Gefühl zuwiderzuhandeln, dass er der Gnade Fredericks und der anderen Bediensteten ausgeliefert war. Heute konnte er den Gedanken nicht ertragen, noch einmal dieselben schmutzigen Kleider anzuziehen.
Marcus schaute zu der Ormulu-Uhr auf dem Kaminsims. Es war schon zehn Uhr morgens. Wie viel Zeit er im Augenblick immer brauchte, nur um sich anzuziehen und für den Tag fertig zu machen. Er hasste jeden neuen Tag, konnte es nicht ertragen, die Sonne aufgehen zu sehen und zu wissen, dass ihn wieder ein nutzloser Tag erwartete.
Er wünschte sich, er könnte einfach eines Abends in sein Bett gehen und in einen so tiefen Schlaf fallen, dass er nie wieder erwachte. Er sah
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