Was geschah mit Mara Dyer?: Roman (German Edition)
nicht klar war, worum er eigentlich bat. Aber er starrte mich so erwartungsvoll und mit der winzigen Andeutung eines Lächelns auf den Lippen an, dass ich irgendetwas tun musste.
Ich nickte. Das schien ihm zu genügen.
Sobald er in unsere Einfahrt eingebogen war, stieg er aus und eilte schnurstracks zur Beifahrerseite, um mir die Tür zu öffnen. Ich sah ihn an, doch er schnitt mir das Wort ab, ehe ich den Mund aufmachen konnte.
»Ich tue das gern für dich. Merk es dir einfach, dann muss ich nicht jedes Mal sprinten.«
Jedes Mal . Ich fühlte mich seltsam, als wir über den gepflasterten Weg zu unserer Haustür gingen. Irgendetwas zwischen uns hatte sich verschoben.
»Ich hole dich morgen früh ab«, sagte Noah, während er mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht strich und hinters Ohr steckte. Seine Berührung fühlte sich unendlich vertraut an.
Ich blinzelte verwirrt und versuchte kopfschüttelnd meine Gedanken zu ordnen. »Aber das liegt nicht auf deinem Weg.«
»Na und?«
»Daniel fährt sowieso zur Schule.«
»Na und?«
»Also was –«
Noah legte mir den Finger auf den Mund. »Nicht. Frag mich nicht, warum. Es nervt. Ich möchte es gern. Das ist alles. Also lass mich.« Noahs Gesicht war so nah, so nah.
Konzentrier dich, Mara! »Alle werden glauben, dass wir zusammen sind.«
»Lass sie doch«, sagte er und sah mir forschend ins Gesicht.
»Aber –«
»Kein Aber. Von mir aus können sie das gerne denken.«
All das, was noch damit zusammenhing, ging mir durch den Kopf. In Noahs Fall würden die anderen nicht einfach nur glauben, dass wir zusammen waren, sondern annehmen, dass wir richtig zusammen waren.
»Ich bin eine schlechte Schauspielerin«, sagte ich wie zur Erklärung.
Noah ließ die Finger über meinen Arm gleiten und führte meine Hand an seinen Mund. Unglaublich sanft fuhr er mit den Lippen über meine Fingerknöchel. Dann sah er mir in die Augen und brachte mich damit fast um den Verstand.
»Dannschauspielere einfach nicht. Wir sehen uns morgen früh um acht.« Er ließ meine Hand los und ging zurück zum Wagen.
Atemlos stand ich auf der Türschwelle, als er davonfuhr. Immer wieder gingen mir seine Worte durch den Kopf.
»Lass es mich versuchen. Von mir aus können sie das gerne denken. Dann schauspielere nicht.«
Zwischen uns fing etwas an. Aber wenn es wieder aufhören würde, wäre das mein Ende. Und wenn ich Jamie glauben durfte, würde das Ende bald kommen. Benommen ging ich ins Haus, lehnte mich von innen an die Tür und schloss die Augen.
»Willkommen zurück.« Ich hörte das Lächeln in Daniels Stimme, ohne es zu sehen.
Ich versuchte, mich zusammenzureißen. Ich hatte eine Stinkwut auf meinen Bruder und war nicht gewillt, ihn ungeschoren davonkommen zu lassen, nur weil ich innerlich am Rad drehte. »Du schuldest mir ein paar Erklärungen« war alles, was ich zustande brachte.
»Schuldig«, sagte Daniel, ohne auch nur im Entferntesten so auszusehen. »Hat es Spaß gemacht?«
Ich schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht glauben, dass du mir das angetan hast.«
»Hat-es-Spaß-gemacht?«
»Das-tut-nichts-zur-Sache«, erwiderte ich. Daniel grinste noch breiter. »Ich mag ihn.«
»Was hat das denn damit zu tun? Wie konntest du ihm das nur erzählen, Daniel?«
»Okay, Moment. Erstens habe ich ihm nur erzählt, warum wir aus Laurelton weggezogen sind. Dass es einen Unfall gab, deine Freunde ums Leben gekommen sind und wir hier neu anfangen wollten. Du hast nicht das Monopol auf diese Erklärung, also reg dich ab.« Ich machte den Mund auf, um ihm zu widersprechen, als Daniel auch schon weiterredete. »Zweitens ist er ein echt netter Kerl.«
Da war ich ganz seiner Meinung, doch das wollte ich nicht zugeben. »Das sehen einige Leute anders«, sagte ich stattdessen.
»Einige Leute liegen immer daneben.«
Ich funkelte ihn an. »Weiter. Erzähl mir, was passiert ist, und lass nichts aus.«
»Nach unserem ersten Schultag habe ich mit meinem Lehrer das Thema für mein Hausarbeitsprojekt in Musik durchgesprochen und Noah war auch da. Er komponiert übrigens und ist verdammt gut. Sophie hat mir erzählt, dass sie im letzten Jahr ein paar Open-Mike-Sessions mit ihm gemacht hat.«
Ich dachte an die entzückende kleine, blonde Sophie und hatte plötzlich den Drang, ihr gegen das Schienbein zu treten und wegzurennen.
»Auf jeden Fall hat er mich nach dir gefragt, als er meinen Namen hörte.«
Ich spulte gedanklich zurück. »Aber ich bin ihm erst am zweiten Schultag
Weitere Kostenlose Bücher