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Was habe ich getan?

Was habe ich getan?

Titel: Was habe ich getan? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Prowse
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nämlich dass ich nie, niemals ein Versprechen breche. Niemals. Was habe ich dir versprochen, Mark? Noch einmal, versuche nicht, darauf zu antworten. Ich sag es dir. Ich habe dir versprochen, dass ich dieses Zimmer nicht verlasse, bis die Kinder nach Hause kommen und etwas zu essen brauchen – und, Mark, versprochen ist versprochen.«
    Kathryn zog den Stuhl mit der Leiterlehne neben das Bett, ging zum Schrank hinüber und machte die Türen weit auf. Sie riss Kleider von den Bügeln und ließ sie achtlos in einem Haufen auf den Boden fallen. Nachdem sie eine passende Lücke geschaffen hatte, griff sie in den Schrank und holte vom obersten Fach ein Buch, das hinter einem Pulloverstapel verborgen gewesen war. Es war Louis de Bernières Traum aus Stein und Federn. Sie lächelte ihren Mann an.
    »Das musst du übersehen haben.«
    Sie klappte das Buch so weit auf, dass der Buchrücken brach, und warf einen Blick auf das erste Kapitel.
    Anscheinend lässt das Alter das Herz schrumpfen. Einige von uns wandern gedankenverloren durchs Leben und träumen von der Vergangenheit, andere stellen eines Tages fest, dass sie verlernt haben, wie man in der Sonne steht. Für viele von uns ist der Gedanke an die Zukunft eher Grund zur Beunruhigung als zur Vorfreude, so als hätten wir genug Neues gesehen und sehnten uns nur nach dem langen Schlaf, der die Gestade unseres Lebens umschließt.
    Sie hielt mit ihrer Lektüre inne.
    »Mark, mir ist gerade durch den Kopf gegangen, dass das wahrscheinlich eine günstige Gelegenheit für mich ist, dir ein paar Fragen zu stellen, dir zu sagen, wie ich mich fühle, dir zu erzählen, welche Gefühle du in mir geweckt hast. Genau genommen ist das meine einzige, meine letzte Gelegenheit. Was ich dir sagen will, ist Folgendes: Ich glaube, du bist wirklich verrückt, Mark. Ich glaube, dein wahres Wesen entspricht dem, das ich jeden Abend zu Gesicht bekommen habe, und die Scharade ist das, was du dem Rest der Welt präsentierst, das Lächeln und die Herzlichkeit. Du magst den Rest der Welt zum Narren gehalten haben, aber mich nicht, nicht eine Sekunde lang. Vielleicht bin ich gar nicht so dumm, wie ich aussehe.« Sie seufzte und lächelte einen kurzen Moment.
    »Hat es dich froh oder traurig gemacht, wie du mich behandelt hast? Mich hat es traurig gemacht, Mark, es hat mich sehr traurig gemacht. Du hast mich der Persönlichkeit beraubt, die ich einmal hatte, und du hast mich im Laufe der Jahre allmählich vernichtet, bis ich fast unsichtbar geworden bin. Warum ich, Mark? Warum hast du mich ausgesucht? Ich hatte so viel zu bieten, hatte so viel zu geben. Ich hatte ein Leben. Du hast mein Leben vernichtet, langsam, Stück für Stück, und deshalb vernichte ich jetzt dein Leben, verstehst du das?«
    Er nickte mit weit aufgerissenen Augen.
    »Mark, ich will, dass du weißt, dass ich mich wieder heil machen werde. Ich werde all die kleinen Splitter aufsammeln, die du abgeschlagen, in Schubladen gesteckt, unter den Teppich gekehrt und hinter Kissen versteckt hast, und ich werde wieder ich selbst sein. Ich werde all das werden, was ich einst für möglich gehalten habe. All den Träumen werde ich nachjagen, die ich hatte, bevor du mich vernichtet hast, und du wirst nur ein ferner, trauriger Gedanke sein. Mir ist es wichtig, dass du das weißt. Mir ist es wichtig, dass du weißt, dass du nicht gewonnen hast.«
    Der Blutfluss schien zu stocken, entweder wegen der Gerinnung oder aus einem anderen Grund, aber das war ihr egal. Sie saß da und las den ganzen Nachmittag hindurch, dabei blickte sie hin und wieder auf das leere Gesicht ihres Mannes. Seine Haut war grau, und er schien schläfrig zu sein.
    »Weilst du noch unter uns, du Schlafmütze?«, fragte sie einmal.
    Einige Zeit später wurde ihre Lektüre durch das Geräusch von Schritten unterbrochen, die die Treppe hinaufgetrampelt kamen. Das schien ihren Mann aus seiner Benommenheit zu reißen. Er versuchte, die Hand auszustrecken, seinen Kindern durch die Wand hindurch ein Zeichen zu geben.
    »Das ist zwecklos, Mark. Glaub es einem Menschen, der es weiß: Hilfe herbeizusehnen, Hilfe zu suchen, um Rettung zu beten – das funktioniert nicht. Aber sei unbesorgt, Mark, ich habe sie gefunden.«
    Sie stand von ihrem Stuhl auf, knickte die Seite, die sie gerade gelesen hatte, um und klappte das Buch sorgfältig zu. Sie tapste über den Teppich, öffnete die Schlafzimmertür einen Spalt und streckte den Kopf hinaus.
    »Hallo, ihr beiden«, rief sie.
    »Hallo«,

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