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Was habe ich getan?

Was habe ich getan?

Titel: Was habe ich getan? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Prowse
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vermuten können. Sie wünschte sich, sie hätte auf sie gehört.
    Jetzt wiederholte sie den Satz, während sie den handbemalten Becher in ihrer Hand betrachtete. Ich will nicht, dass du irgendetwas von deinem Selbst verlierst, niemals.
    Was würde sie ihrer Schwester heute darauf antworten? Sie malte sich aus, wie sie versuchte, die Worte zu formulieren. Sie sahen einander inzwischen so selten, dass es bei ihrem Zusammentreffen immer etwa eine Stunde dauerte, bis sie ihre Verlegenheit abstreifen konnten, weil sie erst wieder lernen mussten, wie sie sich in Gesellschaft der anderen zu verhalten hatten.
    Es war so anders, als mit einer Freundin oder Kollegin zusammen zu sein. Mit einer Schwester zusammen zu sein, das war einzigartig.
    Ungeachtet der Tatsache, was jede von ihnen erreicht hatte oder wie viel Zeit verging, war es für Kathryn schwer, die Rolle der zufriedenen Erwachsenen zu spielen, ihre Schwester zu täuschen. Nicht nach allem, was sie gemeinsam erlebt hatten. Francesca kannte ihre Schwester in- und auswendig. Es gab so viele schöne Erinnerungen, die sie sich wieder und wieder erzählten, bis sie in hysterisches Gelächter ausbrachen. Kathryns Lieblingsgeschichte war die über einen Abend in den Sommerferien in Cornwall, als sie beide im Alter von sechs und acht Jahren in einem angerosteten Wohnwagen dicht nebeneinander Kopf an Fuß und Fuß an Kopf lagen. Sie hatten so viel Schokolade gegessen, dass Kathryn sich übergeben musste. Sie wollte sich aus dem Fenster beugen und stellte zu spät fest, dass es geschlossen war. Ihre Eltern verbrachten einen großen Teil des nächsten Tages damit, mit dem Wasserschlauch Schokolade von der Velourseinrichtung ihres gemieteten Heims zu spritzen.
    Ein Teil ihrer jetzigen Verlegenheit war auf die Tatsache zurückzuführen, dass Mark sie nie auch nur für eine Sekunde allein ließ. Es war, als überwache er sie und veranlasse sie, ihre Unterhaltung zu zensieren. Er lenkte sie sorgfältig auf Themen, die er für angemessen hielt, und er war stets ein wenig angespannt, bis ihre Schwester wieder gegangen war. Niemandem sonst fiel seine Nervosität auf. Doch Kathryn bemerkte, dass er ein bisschen schneller sprach als gewöhnlich und ein wenig zu laut lachte. Er brauchte sich keine Sorgen zu machen, sie hätte es niemals erzählen können. Sie würde es niemals erzählen.
    Das war alles zu schwierig. Was sollte sie ihrer Schwester denn sagen?
    Du hattest recht, Fran, ich hätte auf dich hören sollen, weil ich nicht nur ein bisschen von meinem Selbst verloren habe, ich habe mich ganz verloren. Ich wünschte, ich hätte auf dich gehört, aber das habe ich nicht, oder?
    Mit der wunderbaren Gabe der späten Einsicht war es so einfach, ihre früheren Entschlüsse und Entscheidungen zu beurteilen. Es war so einfach, sich die Person anzuschauen, die diese Entscheidungen getroffen hatte, und die Person, zu der sie sich entwickelt hatte. So einfach, dabei die Risse zu entdecken und sich zu überlegen, was sie hätte anders machen können. Selbstverständlich hätte ich auf meine Schwester hören sollen! Aber ich dachte, ich wüsste es besser. Ich war leichtfertig, geblendet und dachte, ich wüsste es besser. Was konnte man aus der Rückschau sagen? Du hast es definitiv nicht besser gewusst, Kathryn, du konntest es nicht besser wissen, du warst zu sehr damit beschäftigt, gegen eine tosende Woge von Hormonen und deine Vernarrtheit anzukämpfen.
    Kathryn kniff die Augen fest zusammen und versuchte, die Erinnerung an den letzten Anruf auszulöschen, den sie von ihrer Schwester erhalten hatte. Selbst nach drei Wochen lastete er noch immer schwer auf ihrem Gemüt, und sie fragte sich, ob sie den Schaden je wiedergutmachen konnte.
    »Kathryn.« Mark hatte sie gerufen.
    Sie hatte gerade die Kartoffeln für das Abendessen geschält, doch beim Klang seiner Stimme erhob sie sich instinktiv von ihrem Stuhl, wie ein Soldat, dem eingetrichtert worden war, beim Erscheinen eines Vorgesetzten Habachtstellung einzunehmen. Nach den vielen Jahren kam das inzwischen ganz automatisch.
    »Deine Schwester ist am Telefon.«
    Er zeigte ihr ein kurzes, flackerndes Lächeln, das innerhalb von Sekunden erschien und wieder verschwand. Es sagte ihr, dass er überhaupt nicht froh war, Francesca an der Leitung zu haben. Noch mehr irritierte es ihn, dass seine Studierzeit unterbrochen wurde, weil er den Anruf entgegennehmen und hereinkommen musste, um ihr Bescheid zu sagen.
    Sie nickte und ging zum Wandtelefon

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