Was habe ich getan?
Neues.
»Ach, ich sehe, sie hat eine Freundin gefunden.«
Er lächelte Kate an und zeigte dabei makellose, blendend weiße Zähne. Kate erkannte, von wem Matilda ihr Lächeln geerbt hatte.
»Sie ist wunderbar.«
»Ja, das ist sie.« Er stand da, die Hände in die Hüften gestemmt, und nickte zustimmend.
»Und sie hat mir ein Geschenk gemacht, einen echten Schatz.« Kate öffnete die Faust, um ihm das Geschenk zu zeigen.
»Wirklich ein Schatz.« Seine Augen funkelten.
»Ich werde ihn gut aufbewahren. Er wird mich immer an diese Insel erinnern.« Sie meinte es ernst.
»Das ist gut. Und Sie sind offensichtlich ein Mensch, der einen wahren Schatz erkennt, wenn er ihn vor Augen hat. Wo kommen Sie her?«
»Aus England. Ich mache Urlaub, bin drei Wochen geflüchtet.« Sie lachte und war sich bewusst, dass sie ein wenig albern klang.
»Wovor versuchen Sie denn zu fliehen?« Er blickte sie ernst an.
»Ach, ich weiß nicht.«
Kate kaute auf ihrer Unterlippe herum. Trotz ihrer großen Anstrengung, ihre Gefühle unter Kontrolle zu halten, drohte sie in Tränen auszubrechen. Die Erinnerung an ihre Kinder am Strand war so stark, dass es eine Qual war. Sie vermisste sie so sehr, dass es ihr körperliche Schmerzen bereitete, und die Tatsache, dass jemand nett zu ihr war, machte das Ganze irgendwie noch unerträglicher.
»Tut mir leid. Sie und Ihre Tochter … ich habe meine eigene Tochter und meinen Sohn schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen, und es sind immer die kleinen Dinge, die mich daran erinnern.«
Er ließ sich neben ihr auf den Sand sinken.
»Tut mir leid, das zu hören. Matilda ist nicht meine Tochter, aber ich muss mich um sie und fünfundzwanzig andere wie sie kümmern.«
Er streckte die Hand aus. »Ich leite die Jugendmission oben in Dennery. Ich heiße Simon.«
Kate schüttelte ihm die Hand.
»Ich freue mich, Sie kennenzulernen, Simon. Ich bin Kate Gavier, das heißt einfach nur Kate.«
Sie schniefte, um die fiesen Tränen zurückzudrängen.
»Wow! Sechsundzwanzig Kinder? Das ist viel Arbeit. Ist das so etwas wie eine Tagesbetreuung, eine Kindertagesstätte?«
Simon lächelte. »Es ist ein bisschen mehr. Tages- und Nachtbetreuung, dreihundertfünfundsechzig Tage im Jahr. Es ist ihr Zuhause.«
»Sind alle noch so klein wie Matilda?« Kate war fasziniert und stellte sich viele Reihen von Kinder- und Gitterbettchen vor.
»Na ja, das waren sie einmal. Aber nein, wir haben unterschiedliche Altersstufen. Manchmal kommen sie als Neugeborene zu uns, aber meist erst, wenn sie ein wenig älter sind, wenn die Dinge für ihre Mutter oder ihren Vater ein bisschen zu schwierig werden, aus den verschiedensten Gründen. Auch Teenager haben wir, die Führung und einen Ort brauchen, an dem sie bleiben können.«
»Ich finde, die Mission klingt erstaunlich.«
Simon nickte stumm. Kate spürte, dass ihre Wangen erröteten. Sie war sich bewusst, dass sie die Mission einfach durch Sie hätte ersetzen können. Es verwirrte sie, dass es ruhige, gute Männer wie Simon gab mit der Gabe, freundlich zu sein, ob zu einem Kind in Not oder zu einer Fremden an einem Strand. Trotzdem hatten auch Männer wie Mark einen Platz auf der Welt, Männer, die das genaue Gegenteil waren.
»Ihr Akzent ist schwer zu lokalisieren, wo kommt er her?«
Simon lachte – ein tiefes, dunkles Glucksen. Es war offensichtlich nicht das erste Mal, dass ihm diese Frage gestellt worden war.
»Ach, das ist eine lange Geschichte. Ich erzähle Ihnen die Zwanzig-Sekunden-Version. Sitzen Sie bequem?«
Kate nickte.
»Ich bin im Süden von London geboren, in Battersea, um genau zu sein, unehelich, Mischling, und in jenen Tagen verhieß das nichts Gutes. Ich wurde zur Adoption freigegeben, kaum dass ich auf der Welt war, und jemand hat es gut mit mir gemeint. Ich bin von einem kanadischen Ehepaar adoptiert worden, das damals in England wohnte. Dann sind wir, als ich acht war, nach Kanada gezogen, wo ich gelebt habe, bis ich dreißig wurde. Dann hat man mich nach Hause gerufen. Mein leiblicher Vater stammt aus Saint Lucia, und seitdem wohne ich hier.«
»Das ist wahrlich eine Zwanzig-Sekunden-Geschichte.« Kate lächelte bei dem Gedanken, dass ihre eigene Geschichte dieser in Sachen Verwicklungen und Abenteuer in nichts nachstehen würde. » Nach Hause gerufen, das ist ein schöner Ausdruck. Es ist schön, gebraucht zu werden.«
»Oh ja, und ich wurde gebraucht, obwohl ich bei meiner Ankunft nicht wirklich wusste, worin meine Aufgabe bestehen
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