Was habe ich getan?
davon ausging, dass Rodney Morris keineswegs abgeneigt war, diese Rolle zu übernehmen, da er liebend gern im Mittelpunkt stand.
Die ganze Scharade war ziemlich komisch. Vor ihr stand eine wild zusammengewürfelte Menge. Sie reichte vom Makler, der ihr das Haus verkauft hatte, bis hin zum Milchmann, der sie täglich belieferte. Alle waren gekommen, um zu entscheiden, ob sie sie akzeptieren würden oder nicht. Für wen hielten die sich eigentlich, verdammt?
Mit einem Mal verspürte sie eine ungewohnte Kraft und Zuversicht. In den vergangenen Jahren war sie mit Schlimmerem fertig geworden als mit diesem bunten Haufen. Sollte sie also schon bei der ersten Hürde straucheln? Nein, nein, bestimmt nicht. Sie trat in die Mitte des Raums und übernahm ganz leise und gelassen die Kontrolle.
»Ausgezeichnet. Es ist schön, Sie endlich kennenzulernen, Rodney, ja, Sie alle kennenzulernen, zumal sich unsere Wege in den vergangenen Wochen bereits mehrfach gekreuzt haben. Das ist meine Freundin und Kollegin Natasha Mortensen.«
Natasha winkte allen zu, mit denen sie Blickkontakt aufnehmen konnte.
»Es ist wunderbar, heute Abend so viele unserer neuen Nachbarn zu sehen. Ich bin für die Gelegenheit sehr dankbar, Ihnen alles über unser neues Unternehmen erzählen zu können. Deshalb halte ich es für das Beste, wenn ich anfange und Ihnen eine kurze Zusammenfassung gebe, was wir im Haus zur Aussicht vorhaben. Danach werde ich Ihre Fragen beantworten. Was meinen Sie dazu?«
Ein paar Leute murrten laut, aber undeutlich. Doch die übereinstimmende Reaktion bestand in: »Ja.« – »Gut«, und: »Dann mal los.«
Rodney Morris nickte und drehte den klobigen Ring an seinem kleinen Finger, weil er den Eindruck hatte, dass seine Rolle als inoffizieller Sprecher weitgehend überflüssig geworden war. Als körperliches Zeichen des Eingeständnisses trat er zwei Schritt zurück.
Kate wandte sich der Menge zu. Die Gäste waren still, hielten ihre Drinks in der Hand und warteten auf die Ansprache.
»Zuerst möchte ich sagen, wie glücklich ich mich schätze, in einem so schönen, ruhigen Ort wie Penmarin zu wohnen. Ich bin mir sicher, dass ich Ihnen nicht zu sagen brauche, welches Glück Sie haben, in einer so gesegneten Gegend leben und arbeiten zu können.«
Natasha war verblüfft über die souveräne, feste Stimme ihrer Freundin. Du schaffst das, Mädchen! Auch dieses Mal konnte sie es sich zum Glück verkneifen, das laut auszusprechen.
»Ich habe vor, im Haus zur Aussicht ein Wohnstätte für Menschen zu schaffen, die in ihrem Umfeld und in ihrem Leben nicht so viel Glück hatten.«
»Ja, wir haben gehört, dass Pädophile, Vergewaltiger, Junkies und dergleichen dort wohnen werden. Die wollen wir hier nicht haben, wirklich nicht.«
Die aufbegehrende Stimme gehörte einem Fischer, der noch immer seine Arbeitshose aus Neopren trug. Er hatte die wütenden Worte schon auf der Zunge gehabt, seit Kate das Pub betreten hatte. Die Menge stieß ein paar zustimmende Rufe aus, und einige Leute nickten.
»Pädophile und Vergewaltiger? Du lieber Himmel! Wer würde die schon in der Nachbarschaft haben wollen.«
Ihr Lächeln galt allein Natasha. Nur sie beide wussten, dass Kate in den vergangenen Jahren unter Straftäterinnen gelebt hatte. Außerdem stand zu vermuten, dass auch unter den Gästen im Pub höchstwahrscheinlich der eine oder andere ein Kinderschänder oder Vergewaltiger war, das sagte einem die Lebenserfahrung. Manche der Gäste brummten Kommentare, andere lachten – die Menge war eindeutig geteilter Meinung. Kate fuhr fort.
»Ich kann Ihnen versichern, dass es das Letzte wäre, was ich täte, diesen Ort oder seine Bewohner in Gefahr zu bringen. Die Menschen, die ich aufnehmen werde, mögen ja ein Vorstrafenregister haben, aber ich spreche von höchstens sechs Bewohnerinnen, Mädchen oder Frauen im Alter zwischen sechzehn und dreiundzwanzig. Wahrscheinlich haben sie eine fürchterliche Kindheit hinter sich und als schwierige Teenager wohl nie eine Chance bekommen oder Freundlichkeit erfahren. Mit Sicherheit werden sie nicht wissen, wie schön es ist, an einem Ort wie diesem zu wohnen.«
»Na ja, das klingt ja gut und schön. Aber für mich stellt sich vor allem die Frage: Wie wollen Sie die unter Kontrolle halten?« Rodney Morris blickte sich um Unterstützung heischend in der Bar um.
»Sie unter Kontrolle halten? Das sind keine Tiere, Mr Morris. Das sind Jugendliche, die eine Pause und ein besseres Leben verdient haben. Wir
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