Was habe ich getan?
Morgen einander nichts Freundliches oder Nettes sagen können, lieber gar nichts sagen, was haltet ihr davon?«
Kathryn stellte den Weidenkorb an seinen Platz. Die Familie hinter ihr war unnatürlich still. Als sie zum Tisch zurückkehrte, schauten alle sie an, dann griff sie nach der Teekanne.
»Na also«, stellte sie fest, während sie sich Tee einschenkte. »Geht doch.«
Die seltsam gereizte Atmosphäre schien beiden Kindern den Appetit zu verschlagen. Wortlos schoben sie ihre Stühle über den Holzfußboden, stellten die halb geleerten Müslischalen in die Mitte des Tisches, damit sie später von der Bedienung, ihrer Mutter, weggeräumt wurden, und schlurften zur Tür hinaus. Sorglos wurden schwere Rucksäcke auf die Rücken geschwungen, die schwache Schultern niederdrückten und gegen Rückenwirbel stießen.
»Ist jemand heute mit dem linken Fuß aufgestanden?«, fragte Mark fast psalmodierend.
Sie lächelte schwach, als sie die Frage ihres Mannes beantwortete.
»Ja.« Sie nickte.
Sie blickte ihm in die Augen, die strahlten und lebhaft wirkten. Sie hatte ihm so viele Fragen zu stellen. Es gab so vieles, was sie gern ausgesprochen hätte, hätte sie nur den Mut dazu gefunden. Ihre erste Frage, diejenige, die sie am meisten beschäftigte, hätte gelautet: Bist du verrückt, Mark? Ist das der Grund? Bist du geistesgestört? Weißt du, dass du verrückt bist, oder glaubst du, dass du es nicht bist? Es muss mit Sicherheit Wahnsinn sein, der dich antreibt. Es muss ein krankes Gehirn sein, eine grausame und wahnsinnige Veranlagung, die dich dazu bringt, mir so unsägliche Dinge anzutun. Woher kommt das, Mark? Hat dir jemand etwas Schlimmes angetan? Woher stammen diese Ideen? Macht dich dein Verhalten froh oder traurig? Mich macht es traurig, Mark, sehr traurig. Du hast die Person zerstört, die ich einmal war. Du hast mich im Laufe der Jahre allmählich ausgehöhlt, und jetzt ist nur noch diese Hülle, dieses Gehäuse übrig, das einmal eine Person beherbergt hat. Es hat mich beherbergt, aber mein Ich ist weg, und nur die Hülle ist noch übrig. Mein Ich ist verschwunden, und du hast mir das angetan. Warum ich, Mark? Warum hast du mich ausgewählt? Ich hatte so viel zu bieten, ich hatte so viel zu geben. Ich hatte ein Leben.
Ihr Mann fuhr fort: »Na ja, du solltest heute früh schlafen gehen, mein Schatz.«
Sie nickte zu seiner Feststellung, die äußerst vieldeutig war. Sie verspürte den überwältigenden Wunsch zu weinen. Das lag, wie sie wusste, an der Müdigkeit. Ihr fiel es so viel schwerer, das alles durchzuhalten, wenn sie erschöpft war.
Kathryn trank zwei Tassen sehr starken Kaffee, weil sie wusste, dass sie diesen brauchte, um die Tagespflichten erledigen zu können. Wenn sie es nicht schaffte, die gestellten Aufgaben zu erfüllen, hatte das am Ende der Woche schlimme Folgen. Am Sonntagabend saß Mark nämlich mit einer Checkliste da, die er vom Computer ausgedruckt hatte. Wenn nicht neben jeder der alphabetisch aufgelisteten Aufgaben ein Häkchen gesetzt werden konnte, brachte ihr dies einen Punkt ein. Das konnte sechs oder sieben Extrapunkte bedeuten.
Die erste Aufgabe am Mittwoch bestand im Putzen der guten Schuhe oder Kirchenschuhe, wie sie auch genannt wurden. Das hieß, eine dicke Schicht Wachspolitur auf vier Paar Schuhe aufzutragen, ein Paar pro Familienmitglied, dann kräftig zu bürsten und am Schluss mit einem weichen Tuch zu polieren. Als Nächstes musste sie das Wasser in allen Vasen mit Schnittblumen wechseln, um den schlechten, faulen Geruch zu verhindern. Dann sämtliche Kissen aufschütteln, alle Gegenstände und allen Krimskrams von der Küchenanrichte räumen, jeden Gegenstand spülen oder abstauben und dann an seinen richtigen Platz zurückräumen, nachdem die Regalfächer abgestaubt und die Schränke ausgewaschen waren, sämtliche Spiegel putzen, bis sie streifenfrei waren und glänzten, und schließlich den Kies der vorderen Einfahrt glatt zu rechen, um sicherzustellen, dass er so gleichmäßig wie möglich verteilt war, und Abfall und andere Dinge entfernen, die sich unter den winzigen Steinchen verstecken konnten.
In der Vergangenheit hatte Kathryn versucht, in Sachen Erledigung der Aufgaben zu lügen. Sie erinnerte sich an einen speziellen Sonntagabend, als Mark seine Checkliste geprüft hatte. Seine Vorgehensweise war, die Aufgaben und den entsprechenden Tag vorzulesen und dann darauf zu warten, dass sie mit erledigt oder nicht erledigt antwortete.
An jenem Abend stand
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