Was ist koscher - Jüdischer Glaube
und ist, haben die besten Religionsphilosophen dieser Glaubensrichtung immer wieder versucht, gerade an der Irrationalität des Gebotes, Wolle und Leinen nicht mischen zu dürfen, die GöĴ lichkeit des Gesetzes zu beweisen.
Auch heute, zu Beginn des 21. Jahrhunderts, ist das durchaus noch ein ernstes Thema.
Der vor einigen Jahren verstorbene israelische Religionsphilosoph Jeschajahu Leibowitz hat in seinem Essay über den größten jüdischen Gelehrten des MiĴ elalters, Mosche ben Maimon, genannt Maimonides (siehe auch Kapitel »Warum leben Juden überall auf der Welt verstreut?«), die Frage nach der SinnhaĞ igkeit der irrationalen Gesetze aufgegriff en. Leibowitz, ein orthodoxer Jude mit zwei Doktoraten in Biochemie und Medizin, identifi ziert sich in seinem Aufsatz mit einigen grundlegenden Gedanken des Maimonides. Dieser erklärt zum Beispiel, dass es seiner Meinung nach nicht sinnvoll ist, ein Gebet zu sprechen in der Hoff nung, dass GoĴ einem hilĞ
oder erhört oder einen Wunsch erfüllt. Das Gebot zu beten ist eine Kategorie für sich. Man darf dafür keinen Lohn erwarten.
Beten ist eine Verpfl ichtung im GoĴ esdienst, und diese ist immer und stets zu erfüllen, ohne Vorbedingung, ohne Erwartung und ohne Gedanken an den Nutzen eines Gebets. Das ist es, was »GoĴ dienen« im Jüdischen bedeutet, so Maimonides und auch Leibowitz. Ein gesetzestreuer Jude sein heißt: 149
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die Mitzwot erfüllen, ohne zu fragen, wofür, warum man dies tut. GoĴ will es so – also halte ich mich daran. GoĴ ist die höchste Instanz des Kosmos – also erfülle ich seinen Willen.
Und das gilt dann ebenso für all die Gesetze, die wir Menschen nicht verstehen. Es kommt nicht darauf an, was wir uns dabei denken. Wir dürfen keinen Unterschied machen zwischen logischen und unlogischen, zwischen sinnvollen und uns sinnlos erscheinenden Mitzwot. Das sind Kategorien des menschlichen Verstandes, der nicht nur beschränkt, sondern vor allem auch relativ und willkürlich ist. Darum – Schatness muss sein.
Zu den KleidungsvorschriĞ en im Judentum, die auch in anderen Kapiteln schon kurz beschrieben wurden, gehört auch die biblische Forderung, an die »vier Ecken« der Ge-wänder Quasten mit Fransen aus Wolle zu befestigen.
»Und der Ewige sprach zu Mosche: Rede zu den Kindern Jisrael und sprich zu ihnen, sie sollen sich Quasten machen an die Ecken ihrer Kleider, für ihre künĞ igen Geschlechter, und sie sollen an die Quasten der Ecke einen purpurblau-en Faden anbringen.«
Die Rabbinen haben dieses Gebot, das zunächst geschlechts-neutral ist, ausschließlich für Männer geltend gemacht. Fromme Juden tragen daher unter ihrem Hemd meist ein vierecki-ges Kleidungsstück, das auf Hebräisch »Arba Kanfot« (vier Ecken) oder »Tallith Katan« (kleiner Tallith, kleiner Gebets-mantel) heißt. An jedem Ende sind die Zizit, die Fransen, entsprechend einer genauen VorschriĞ befestigt. Doch wozu sind sie da? Welchen Sinn haben sie? Der oben zitierte Thoravers geht noch weiter:
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»Und es soll euch zu Merkquasten sein, dass ihr es anseht und aller Gebote des Ewigen gedenkt und sie ausübt und nicht nachgeht eurem Herzen und euren Augen, denen ihr nachbuhlt. Damit ihr gedenkt aller meiner Gebote und sie ausübt und heilig seid eurem GoĴ .« (Num. 15, 37-40) Die Zizit sind, wenn man so will, biblische »Post-its«, sie sollen einen religiösen Juden daran erinnern, dass er die 613
Mitzwot der Thora erfüllen muss. Die Form der Zizit ist interessant. Im Hebräischen, das eine reine KonsonantenschriĞ
hat, steht jeder Buchstabe auch für einen Zahlenwert. Der Zahlenwert des Wortes Zizit ist 600 (Z ist 90, ij ist 10, t ist 400).
An jeder Ecke des Kleidungsstückes sind jeweils acht Quasten befestigt, die aus fünf Doppelknoten bestehen. Der Zahlenwert des Wortes Zizit zusammen mit der Zahl der Quasten und Knoten ergibt 613 – die Zahl der Mitzwot, die zu erfüllen sind. Fromme Juden tragen daher die Zizit, die Fransen gut sichtbar, »damit ihr es anseht«, sie ragen meistens aus dem Hemd heraus – sonst würden sie ja keinen Sinn machen.
Allerdings sind die Zizit heute durchgehend weiß, anders als die Thora dies verlangt, warum? Die purpurblaue Farbe, von der die Rede ist, wurde damals aus einer äußerst selte-nen Schneckenart gewonnen. Da man heute nicht mehr genau weiß, um welche Schnecke es sich gehandelt hat und ob
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