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Was macht der Fisch in meinem Ohr

Was macht der Fisch in meinem Ohr

Titel: Was macht der Fisch in meinem Ohr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia David u Morawetz Bellos
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Erbsengröße ausgestatteten Ungeheuer wie Pete dem Würger großzügig zu, die Unaussprechlichkeit des menschlichen Lebens genauso zu spüren wie wir. Allerdings kommunizieren viele nicht menschliche Spezies – vielleicht sogar alle Lebewesen – miteinander, und manche kommunizieren zweifellos mit uns. Hundebesitzer etwa, um das nächstliegende Beispiel anzuführen, unterscheiden mühelos zwischen verschiedenen Arten des Bellens. Der uns zugängliche Bereich von Hundesprache ist aber doch eng begrenzt und beschränkt sich auf wenige einzelne Zeichen. Zeichen werden üblicherweise als isolierte Träger bestimmter Informationen aufgefasst – »Ein Eindringling ist im Haus«, »Hallo, grüß dich«, »Geh mit mir Gassi«. Sie können nicht kombiniert werden, um komplexere Aussagen zu treffen – soweit wir wissen, hat die Hundesprache keine Grammatik. Außerdem ist das domestizierten Hunden zur Verfügung stehende Zeichenrepertoire – wie die Zeichen, die Affen oder Bienen verwenden – vererbt und festgelegt. Hunde können keine neuen Wörter bilden, genauso wie Verkehrsampeln keine anderen Lichtsignale produzieren als Rot, Gelb oder Grün für »Stopp«, »Bereithalten« beziehungsweise »Erlaubnis zur Fahrt«. (Englische Fahrer älterer Sportwagen wissen, was sie an der Rot-Gelb-Kombination für »Achtung, es wird gleich die Erlaubnis zur Fahrt gegeben« haben.) Das sind die Hauptkriterien, nach denen die meisten modernen Linguisten die menschliche Sprache von allen anderen Kommunikationssystemen unterscheiden. Affen können nur sagen, was sie sagen müssen, und mehr nicht, wohingegen menschliche Zeichensysteme sich ständig verändern und an neue Umstände und Bedürfnisse anpassen. Das sind ziemlich überzeugende Gründe dafür, die Sprache der Tiere nicht als »richtige Sprache« aufzufassen, die also das Übersetzen nichts angeht. Wir könnten allerdings so großzügig und fantasievoll sein wie Romain Gary. Aus seiner Perspektive betrachtet kann die menschliche Sprache einem Hund genauso begrenzt und unflexibel erscheinen, wie Linguisten es für die Hundesprache feststellen.
    Von Kindesbeinen an und bis zum Eintritt in die Pubertät weiß der Nachwuchs in allen Kulturen immer, dass Tiere ihm etwas zu sagen haben. Weltweit gibt es kein Brauchtum, in dem die Überwindung der angeblichen Barriere zwischen Mensch und Nicht-Mensch nicht ebenfalls bekannt wäre. 5 In unseren schriftgeprägten westlichen Kulturen aber heißt Heranwachsen (das so eng verzahnt ist mit formaler Bildung, dass sie fast als identisch angesehen werden können) auch, das instinktive kindliche Gespür für die kommunikativen Fähigkeiten nicht menschlicher Spezies zu verlernen. Kein Wunder, dass unsere Philosophen und Priester seit Langem betonen, Sprache dürfe einzig und allein Menschen zugeschrieben werden. Durch dieses sich selbst bestätigende Axiom werden Kinder zu inkompletten Menschen, die der ihnen zuteilwerdenden Erziehung dringend bedürfen.
    Die üblichen Begründungen für die strenge Trennung von »Signale senden« und »Sprechen« überzeugen häufig jedoch nicht ganz so, wie sie sollen. Manche der untersuchten tierischen Zeichensysteme (die von Ameisen und Bienen etwa, deren Übertragungskanäle nicht Stimmen sind, sondern physische und chemische Mittel) übermitteln etwas, was nach unseren Maßstäben höchst differenzierte geografische und soziale Informationen wären. Wale stoßen lange Folgen eindringlicher Laute aus, wenn sie sich in Schulen in den Gewässern vor der kanadischen Küste versammeln. Die tonalen und rhythmischen Strukturen des Walgesangs sind so komplex, dass man eigentlich nicht glauben kann, dass das, was wir hören (und mit Instrumenten, empfindlicher als das menschliche Ohr, aufzeichnen) können, bloß Zufallsgeräusche sein sollen. Noch frappierender ist das Verhalten einer Gruppe von Affen in einem Zoo im britischen Colchester, die ihrem bisherigen Repertoire kommunikativen Verhaltens vor Kurzem zwei neue Gesten hinzugefügt haben. Auch wenn die »Affen-Bedeutung« dieser Gesten nicht völlig gewiss ist, handelt es sich dabei unstreitig um Zeichen, die innerhalb der Gemeinschaft einen Sinn haben und von ihnen selbst erfunden wurden. 6
    Das Kommunikationsverhalten von Ameisen, Bienen, Walen, Affen, Hunden und Papageien kommt uns ja nur deshalb rätselhaft vor, und dem Bereich des Unsagbaren schlagen wir die Kommunikation über Speziesgrenzen hinweg ja nur deshalb zu, weil – ein sehr kleines Spektrum

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