Was sich kusst das liebt sich
Bauhof in Sheffield besaß, und es stellte sich heraus, dass Jeans Schwester in Brincliffe lebte, nur eine Straße von Neves Cousine Linda entfernt. Und schwupps, waren zehn Minuten vergangen.
Neve war nach wie vor nervös, aber nicht mehr gelähmt vor Angst. Und als Jean auf einmal sagte: » Wir sollten uns schleunigst auf die Suche nach Mandy machen; sie kann es kaum erwarten, dich kennenzulernen. Bleib du ruhig hier, Max, und erzähl Bill, wie du diese Paris Hilton kennengelernt hast«, da war sie in der Lage, die Finger von Max’ Arm zu lösen und sich von Jean durch die Menge führen zu lassen.
Es dauerte ziemlich lange, denn sie begegneten auf Schritt und Tritt irgendwelchen Leuten, die Jean ihr vorstellen wollte und die Neve teils aus der Serie Coronation Street kannte, teils aus alten Ausgaben der People-Magazine Now und OK !, die sie sich von Rose als Vorbereitung auf die Hochzeit ausgeliehen hatte.
» Das ist wirklich nett von Ihnen«, sagte sie zu Jean, als sie die gegenüberliegende Seite des Raumes erreicht hatten, wo sich das Gedränge zu lichten begann. » Ich meine, Sie haben bestimmt etwas Besseres zu tun, als mich allen anderen Gästen vorzustellen.«
Jean tätschelte ihr die Hand. » Mach dir deswegen mal keine Gedanken, Schätzchen. Ich hab doch gleich gesehen, dass du dich zu Tode fürchtest. Ehrlich gesagt säße ich jetzt auch lieber zu Hause bei einer Tasse Tee und ein paar Petit Fours. So, wo ist das Mädel denn nun abgeblieben?«
Neve hatte gerade in einiger Entfernung einen Mann entdeckt, der verdächtig aussah wie Thierry Henry– die ganz großen Fußballstars kannte sogar sie–, da ertönte ein ohrenbetäubendes Kreischen, und jemand warf die Arme um sie.
» Neve? Du bist doch Neve, oder?«
Neve kam nicht dazu, etwas zu sagen, denn Mandy drückte sie kräftig an sich, und Neve fürchtete, gleich an der Duftwolke– Envy von Gucci– zu ersticken, die sie umgab.
» Lass sie los, Mandy! Das arme Mädchen bekommt ja gar keine Luft mehr!«
Sogleich wurde sie von zwei starken Händen weggeschoben. » Lass dich mal ansehen.«
Neve registrierte nur viel, viel tief gebräunte Haut, eine sehr, sehr blonde Mähne und ein superkurzes, superenges weißes Kleid, das im Grunde lediglich aus ein paar Stoffstreifen bestand. Wenn man sich die Solariumbräune und die Strähnchen wegdachte– und die strahlend blau gefärbten Kontaktlinsen–, war Mandy McIntyre das, was Neves Mutter unscheinbar genannt hätte. Sie hatte eine Stupsnase, ihre Oberlippe war etwas kurz geraten, ihre Augen waren klein, die Wimpern mit Mascara verklebt, aber alles zusammen wirkte so harmlos und bodenständig, dass Neve gut nachvollziehen konnte, wie Mandy es geschafft hatte, Millionen zu scheffeln, indem sie für Supermarktketten und Selbstbräuner warb, in Fitnessvideos mitwirkte und vorgab, die Autorin einer Buchserie zu sein, in der es um ein ganz gewöhnliches Mädchen ging, das in einer außergewöhnlichen Welt lebte.
» Ich wusste doch, dass Max auf alternative Intellektuelle steht. Sehr cool, dein Boho-Chic; so künstlerisch und romantisch verspielt«, schwärmte Mandy, und es klang so ehrlich, dass Neve ihr ein paar beglückende Sekunden lang sogar glaubte. » Ich wollte auch blickdichte Strümpfe anziehen, aber da hätte ich mir das Solarium sparen können, also muss ich mir den ganzen Abend den Arsch abfrieren.«
Das war der zweite Grund, warum Mandy McIntyre Multimillionärin war: Acht von zehn Leuten hielten sie binnen fünf Minuten für den sympathischsten Menschen, den sie je kennengelernt hatten.
Neve bildete da keine Ausnahme. Zum zweiten Mal an diesem Abend nahm sie jemand, der nicht Max war, an der Hand und führte sie den anderen Anwesenden vor wie ein Schoßhündchen, das jeder tätschelt und streichelt. Dabei besaß Mandy bereits ein Schoßhündchen– einen kleinen Shih-Tzu namens Gucci, der bei ihrem Verlobten auf dem Arm saß. Darren Stretton war schlaksig und schüchtern und hatte nicht allzu viel zu sagen für jemanden, dessen rechter Fuß für zwei Millionen Pfund versichert war. Neve konnte ihm immerhin entlocken, dass er » überglücklich« über die bevorstehende Heirat mit » unserer Mandy« sei, wobei er einen zärtlichen Blick mit seiner Zukünftigen wechselte. Die traute Zweisamkeit fand ein jähes Ende, weil sie plötzlich von Darrens Teamkollegen umringt waren, die Neve der Reihe nach höflich die Hand schüttelten und sich nicht im Geringsten daran zu stören schienen, dass
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