Was sich kusst das liebt sich
ein paar Zehen amputiert hätte. Selbst die 247 frisch gebackenen Käsestangen, die ihr Neve am Samstagnachmittag brachte, nahm sie m it neutraler Miene und einem kühlen » Danke« entgegen.
» Ich komme gerade vom Laufen«, sagte Neve betont fröhlich, um ihr zu signalisieren, dass sie es ihr nicht übel nahm. » Und ich dachte, ich könnte euch ein bisschen bei den Partyvorbereitungen helfen, bevor ich duschen gehe.«
» Das ist nicht nötig«, wehrte Celia halbherzig ab. Sie hatten nur dann saubere Gläser, wenn sich Neve erbarmte und sie spülte, was Yuri und Celia für überflüssig hielten, weil ja der Alkohol etwaige Bakterien abtötete.
Neve machte sich sogleich an die Arbeit. Sie schaffte zerbrechliche Gegenstände, Designerklamotten und -accessoires in Yuris Zimmer, das abgeschlossen werden konnte, brachte fünf Tüten Müll nach draußen, arrangierte Rohkost und Dipsoßen auf silbernen Platten und besorgte im Billigladen um die Ecke noch schnell ein paar Gartenlichter.
Yuri und Celia hatten derweil eine Kleiderkrise nach der anderen, bis sie gegen sieben wieder in denselben Outfits steckten wie am Anfang: In Celias Fall war das ein eng anliegendes Poloshirt, Denim-Shorts mit hoher Taille und rote Hosenträger, während Yuri eine blauweiß geringelte Kreation trug, die an einen viktorianischen Badeanzug erinnerte.
Neve beäugte sie, um eine neutrale Miene bemüht. Vielleicht würde sie sich ja auch etwas ungewöhnlicher kleiden, wenn sie erst Größe38 trug, aber irgendwie bezweifelte sie es.
» So, alles erledigt«, meldete sie mit demselben fröhlichen Tonfall, in dem sie schon den ganzen Nachmittag sprach. Allmählich wurde es anstrengend. » Jetzt müsst ihr nur noch die Bowle ansetzen.«
» Danke, Neve. Du bist ein Schatz.« Yuri sah sich im Wohnzimmer um. » Wer hätte gedacht, dass unter den ganzen Zeitschriften ein Teppich zum Vorschein kommt!«
» War doch ein Klacks«, sagte Neve mit einem Blick zu Celia. » Ich helfe doch immer gern.«
Celia seufzte und ließ die Schultern hängen. Sie hatte ganz offensichtlich nicht die Energie, noch länger böse auf ihre Schwester zu sein. » Danke. Ohne dich wäre hier wahrscheinlich noch alles voller alter Pizzaschachteln.«
Neve nickte, Celia nickte ebenfalls, und Neve wusste, dass Celia zwar noch sauer wegen der Kur war, aber nicht mehr sauer auf sie, was ein Unterschied war. » Okay, dann gehe ich mich jetzt umziehen«, sagte Neve. » Kirschblütenbluse, Jeans, Stöckelschuhe?«
» Flipflops«, erwiderte Celia. » Wir sind hier auf einer Gartenparty und nicht in einem Nachtklub.«
Gegen elf Uhr hatten sich die Scoins von nebenan bereits das dritte Mal über den Krach beschwert, und alle vier Mitglieder einer mäßig bekannten Indie-Band waren aufgetaucht. Die Party konnte also als Erfolg gelten.
Im Großen und Ganzen setzte sich das Publikum aus einer Vielzahl an ultracoolen Menschen aus der Mode- und Designerbranche zusammen, die sich durch schräge Frisuren, schräge Klamotten und einen sehr schrägen Musikgeschmack auszeichneten. Sie waren alle äußerst zuvorkommend zu Neve, weil sie Celias Schwester war, sahen sich nach ein paar Minuten höflichen Small Talks aber nach einem anderen Gesprächspartner um. Mit ihrer Kirschenbluse, den gerade geschnittenen Jeans (die mittlerweile lockerer saß als ihre ausgeleierte Home-Jeans) und den billigen Flipflops von Primark wirkte sie einfach nicht interessant genug.
Chloe und ihr Freund tummelten sich irgendwo zwischen den Partygästen im Erdgeschoss, und Neve setzte sich zu Philip und Rose auf die Treppe. Auf diese Weise konnte sie wenigstens verhindern, dass sich zwei Turteltauben in die oberen Etagen verirrten, um sich womöglich auf ihrem Treppenabsatz zu paaren. Das sollten die Leute ihretwegen vor Dougies Wohnung erledigen, dessen Beitrag zur Party sich auf vier Dosen Budweiser beschränkt hatte. Außerdem konnte Neve von hier aus jederzeit bequem auf die Toilette gehen, wann immer es nötig war, und das war es erschreckend oft.
» Seit ich Clive gesagt habe, dass ich auf seine destruktive Gegenwart gut verzichten kann, benimmt er sich abslout vorbildlich«, erzählte Philip gerade mit einem verliebten Lächeln. » Es hat funktioniert, Neve.«
» Wer sich kühl gibt, wird umso heißer begehrt.« Rose streckte die Brust heraus und zupfte ihr glitzerndes goldenes Kleid zurecht, damit ihr Dekolleté besser zur Geltung kam. Einer von Yuris Skateboarder-Freunden schlenderte immer wieder vorbei
Weitere Kostenlose Bücher