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Was sich kusst das liebt sich

Was sich kusst das liebt sich

Titel: Was sich kusst das liebt sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manning Sarra
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einander gerade in ihrem Zorn an den Kopf geworfen hatten, eine Grenze überschritten hatte, von deren Existenz er bislang nichts geahnt hatte. » Das hätte ich nicht… Ich nehme es zurück.«
    Sie beugte den Kopf, um ihn nicht ansehen zu müssen, und bedeutete ihm mit einer Geste zu gehen, und als er ihr eine Hand auf die Wange legen wollte, wich sie zurück.
    » Es tut mir leid, okay?«, murmelte er und machte keine Anstalten zu gehen. » Nun sag doch etwas.«
    Neve machte einen Satz und stieß ihn mit beiden Händen rücklings hinaus auf den Treppenabsatz. » Fick dich!«, sagte sie und schlug ihm die Tür vor der Nase zu.

Kapitel 38
    Sobald ihr Zorn verraucht war, kam die Sintflut.
    Neve hatte bereits gewusst, dass die schlimmen Stimmungsschwankungen irgendwann aufhören würden, aber sie hatte nicht mit einem Anfall von Melancholie gerechnet, der sie tagelang ans Bett fesselte, weil sie keinen Sinn darin sah aufzustehen.
    Sie nannte es Melancholie, weil es nach einer jungen Dame aus gutem Hause klang, die sich irgendwann im 19. Jahrhundert auf einer Chaiselongue liegend von ihrer Mutter mit in Kölnischwasser getauchten Taschentüchern die Stirn benetzen ließ, aber im Grunde fühlte es sich an wie eine handfeste Depression.
    Es war eine Mischung aus Holly Golightlys » rotem Elend« in Frühstück bei Tiffany, Winston Churchills » schwarzem Hund« und einer sehr blauen Periode; eine Farbkombination, die alles ziemlich düster erscheinen ließ, so düster wie die dunklen Schatten unter ihren Augen, die vom andauernden Weinen herrührten. Neves Energie reichte kaum aus, um die gelieferten Flaschen in Empfang zu nehmen, dreimal täglich ihren Shake zu trinken, sich danach aufs Klo zu schleppen und dann wieder ins Bett zu kriechen, wo sie sich in den Schlaf weinte.
    Sie war nicht dumm. Sie wusste, ihr Gemütszustand war vor allem auf die Kur zurückzuführen, aber wenn ihre Pfunde dafür ordentlich dahinschmolzen, nahm sie die Akne, die Launen, das Würgen und den ständigen Harndrang gern in Kauf.
    Sie hatte sich noch immer nicht auf die Waage gestellt. Was, wenn sie nur ein paar läppische hundert Gramm abgenommen hatte? Dann hatte sie die Nerven ihrer Familienmitglieder und Freunde ganz umsonst strapaziert. Sie wusste im Moment nur eines: dass es sich nicht so anfühlte, als würde sie weniger Platz in dieser Welt einnehmen.
    Aber dieses Gefühl war nichts Neues für Neve. Sie schlug sich tagtäglich damit herum. Was sie viel, viel schlimmer fand, war der Streit mit Max.
    Sie schämte sich für all die gemeinen, verletzenden Dinge, die sie im Zorn gesagt und gar nicht ernst gemeint hatte, doch jetzt konnte sie sie nicht mehr zurücknehmen. Zugegeben, er hatte auch viele gemeine, verletzende Dinge gesagt, aber die hatte sie alle verdient. Alle bis auf die allerletzte Bemerkung; die konnte sie nicht als eine der Hitze des Gefechts entsprungene Gehässigkeit abtun.
    Im Kopf wirst du immer das fette Mädchen sein. Du kennst es doch gar nicht anders.
    Es war die grässliche, geheime Wahrheit, die Neve stets verdrängt hatte, ehe sie den Gedanken überhaupt zu Ende gedacht hatte. Doch Max, der sie nach diesen paar Monaten besser kannte als sonst irgendjemand, hatte es laut ausgesprochen.
    Das war das Schlimmste an Beziehungen, selbst an einer, die nur zu Übungszwecken diente: Man öffnete sich, vertraute sich jemandem an, und wenn es vorbei war, hatte der andere genügend Munition zur Hand, um einen vollkommen zu vernichten. Max hatte schon damals in Manchester, als sie sich vor ihm ausgezogen hatte, gesagt, sie sei verkorkst, und ihnen war beiden klar, dass es wohl immer so sein würde.
    Kleidergröße38 war für Neve stets ein so mythisches Ziel gewesen, aber was, wenn sie es erreicht hatte, und es änderte sich nichts? Was, wenn sie dann immer noch die Außenseiterin war, der Freak? All diese Gedanken überschlugen sich in Neves Gehirn, bereiteten ihr Kopfschmerzen und trieben ihr Tränen in die Augen.
    Als sie am fünften Morgen in Folge beim Aufwachen feststellte, dass sie weinte, sagte sie laut » Es reicht!« und setzte sich aufrecht hin. » Das muss aufhören.«
    Mit wackeligen Beinen stand sie auf, zog die Bettwäsche ab und stopfte sie in die Waschmaschine, und dann begab sie sich unter die Dusche, um sich den Schweiß und die Tränen der vergangenen fünf Tage abzuwaschen. Danach wickelte sie sich in ihren alten Frottebademantel Größe 58, der ihr zugleich als Schmusedecke diente, schaltete ihr Handy

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