Was sich liebt, das trennt sich: Roman (German Edition)
gemacht.«
»Sie ist nicht gestorben, weil wir miteinander geschlafen haben, Peggy«, sagte Luke mit untypischer Direktheit. Er ballte die Hände nicht zu Fäusten und steckte sie in seine Taschen. Er nahm nicht die Brille ab und rieb sich die Augen, zeigte keine der verräterischen Verhaltensweisen, die Peggy jetzt als Zeichen für seine innere Erregung deuten konnte. Soweit sie es beurteilen konnte, empfand er gar nichts, für niemanden. Bex hatte recht. Zurückhaltend und leidenschaftslos - emotionslos -, das Klischee traf bei Luke zu.
»Du bist der kälteste Mensch, der mir in meinem ganzen Leben begegnet ist.« Sie ging mit Luke im Rücken zurück in den großen Salon, und Trauer rollte in schrecklichen, unablässigen Wellen über sie hinweg, zusammen mit dem Wissen, dass ihr Leben in New Nineveh nun beendet war. Sie würde diese Menschen wahrscheinlich nie mehr wiedersehen. Sie wusste, dass sie zu feige war, sich von ihnen zu verabschieden. Ihnen zu erklären, was aus ihr geworden war, würde ebenfalls Lukes Problem sein.
Nach einer Weile kamen die beiden Männer in Uniform die neue Treppe herunter. Miss Sedgwick war friedlich im Schlaf eines natürlichen Todes gestorben, versicherten sie Luke. Sie trugen die Bahre zur Halle und waren schon fast an der Schwelle angelangt, als Peggy sich an etwas erinnerte.
»Halt«, sagte sie. »So ist es nicht richtig.«
Sie führte die Männer zurück zu der Tür im großen Salon, der Sargtür. Sie öffnete sie. Noch mehr Schnee rutschte herein; die Schneeverwehung war brusthoch. »Wir müssen den Weg freischaufeln«, erklärte sie ihnen.
»Nein, Peggy«, widersprach Luke. »Das dauert zu lange.«
»Dann dauert es eben lange.« Peggy war fest entschlossen. »Miss Abigail war eine Sedgwick. Und eine Sedgwick verlässt dieses Haus nur durch diese Tür.«
23
Schlamm-Saison
Ende März verschwand der Schnee trotz seiner heftigen Ankunft schnell wieder, und die hohen Schneewehen, die die Stadt paralysiert hatten, verwandelten sich in kürzester Zeit in harte Eisinseln auf Wiesen und an den Straßenrändern. Noch bevor die Straßen und Bürgersteige geräumt waren, fingen die Kondolenzbesuche an, und Luke empfing sie mechanisch, ließ jede Person, der er jemals begegnet war, mit Auflauf und Mitgefühl ins Haus, bis er beides leid war. Er wartete auf einen ungestörten Moment mit Peggy, eine Gelegenheit, ihr all die Dinge zu sagen, die er ihr schon so lange sagen wollte, aber am Morgen nach der Beerdigung wachte er auf und stellte fest, dass sie endgültig abgereist war. Alle Sachen waren aus ihrem Zimmer verschwunden, abgesehen von der Brosche und einer Nachricht auf der Kommode: »Wir sehen uns bei der Anhörung.« Er hinterließ ihr Nachrichten am Telefon und bat sie, ihn zurückzurufen, aber das tat sie nicht.
Sie trafen sich zwei Wochen später im Gericht, an dem ersten Tag einer, wie sich herausstellte, April-Woche mit heftigsten Regenfällen, die die letzten Schneehaufen wegschwemmten und ganz Neuengland knietief im Schlamm versinken ließen. In diesem Platzregen musste sich Luke von Peggy zum, wie er wusste, letzten Mal verabschieden, nachdem sie beide einen Meineid darauf geleistet hatten, dass die Ehe nicht vollzogen worden war, und der Richter die Annullierung für rechtskräftig erklärt hatte: Die Ehe war aufgelöst, es hatte sie zumindest in den Augen des Staates niemals gegeben. Danach begleitete Luke Peggy zu ihrem Auto. Regen tropfte aus seinen Haaren, und er schloss die Finger um Elizabeths Brosche, die er in seine Tasche gesteckt hatte. »Mayhew und ich gehen jetzt gleich rüber in sein Büro, um über das Testament zu sprechen. Du solltest dabei sein.«
Peggy blickte über die Wiese zu Mayhews Kanzlei und schüttelte, wie er erwartet hatte, den Kopf.
»Wir müssen uns auch überlegen, wie wir das Haus verkaufen«, beharrte er. »Es wäre gut, es bald auf den Markt zu bringen, damit die Sommergäste es sich ansehen können.«
»Wie du meinst«, sagte Peggy mit ausdrucksloser Stimme.
Luke war froh, dass er die Brosche mitgebracht hatte. Er nahm sie aus der Tasche und hielt sie Peggy hin, hoffte, dass sie sie nehmen würde und dass sie, wenn sie sie nahm, ihre Hand nicht sofort wieder wegziehen würde.
Sie rührte sich nicht.
»Abby hätte gewollt, dass du sie behältst.«
»Sie gehört der Familie. Ich gehöre nicht länger zur Familie.« Schwarze Mascara-Rinnsale flossen über Peggys Wagen - es war der Regen, wusste Luke, keine Tränen.
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