Was sie nicht weiss
Wohnsitz.«
»Sie haben doch bestimmt ihre derzeitige Adresse, oder?«, bohrt Fred.
»Es ist so, dass Maaike ständig neue Inspiration sucht«, fährt Leistra fort, ohne auf Freds Frage zu antworten. »Wenn sie sich länger als ein halbes Jahr an einem Ort aufhält, versiegt die Inspirationsquelle, und sie sucht sich eine andere Bleibe. Oft in besetzten Häusern oder Gebäuden, die kurz vor dem Abbruch stehen, wo sie billig wohnen und vor allem ungestört arbeiten kann.«
»Und wo wohnt sie momentan?«, fragt Lois.
Leistra blickt demonstrativ an ihr vorbei und sagt: »Mir ist nicht wohl dabei, wenn ich Ihnen Informationen gebe, ohne genau zu wissen, worum es geht.«
»Die Adresse bitte, Herr Leistra.« Freds Stimme hat jetzt einen ärgerlichen Unterton.
»Na gut: Momentan bewohnt sie die Speicheretage eines früheren Lagerhauses an der Verdronkenoord. Eine sehr inspirierende Umgebung für eine Künstlerin. Hier haben Sie die Adresse.« Er zieht einen Zettel aus der Innentasche seines Jacketts und hält ihn Fred hin, obwohl Lois die Hand danach ausstreckt.
»Besten Dank«, sagt sie. »Und einen schönen Tag noch.«
»Ebenso.« Clemens Leistra nickt ihr flüchtig zu, gibt dann Fred die Hand und verlässt den Raum.
Entrüstet sieht Lois ihm nach. »So ein Blödmann! Der hat mich total ignoriert!«
»Das sagt mehr über ihn aus als über dich. Mach dir nichts draus, Lois. Manche Leute nehmen hübsche Blondinen nun mal nicht ernst, daran müsstest du doch inzwischen gewöhnt sein.«
»Es gibt Dinge, an die gewöhnt man sich nie! So, und jetzt fahre ich, das brauche ich für mein Ego!«
Fred zuckt amüsiert die Schultern und reicht ihr den Autoschlüssel. »Dann gib Gas, Blondie.«
10
»Fantastisch, dieser große Raum«, sagt Lois bewundernd.
»Ja, nicht wahr?« Maaike Scholten sieht sich zufrieden um. »Ich hatte zufällig gehört, dass die Eigentümer für ein halbes Jahr verreisen wollten und jemanden suchten, der das Haus hütet. In ihre Wohnung in den beiden unteren Etagen wollte ich nicht ziehen, dort hätte ich mich beengt gefühlt, und beim Malen wird es ja auch mal dreckig. Da boten sie mir den leer stehenden Speicher als Atelier an. Hier habe ich jede Menge Platz und kann tun und lassen, was ich will. Aber worum geht es denn, wenn ich fragen darf?«
»Dürfen wir Ihnen erst ein paar Fragen stellen, bevor wir auf die Umstände unseres Besuches eingehen?« Lois lächelt die Künstlerin an. Überrascht, aber ohne den geringsten Argwohn nickt Maaike. Aufgrund der Beschreibung des steifen Kunstvereindirektors hatte Lois ein ganz anderes Bild von der Malerin: ein bohemienhafter Typ – darunter hatte sie sich eine ungepflegte, verlebte Kettenraucherin in Hippiekleidern mit Blumenmuster vorgestellt. Maaike Scholten mit ihrem exakt geschnittenen, halblangen braunen Haar, der zierlichen Figur und der modischen Freizeitkleidung ist das genaue Gegenteil. Außerdem ist sie jung, Lois’ Schätzung nach noch keine dreißig.
»Die Aussicht ist auch nicht zu verachten«, bemerkt Fred, der am Fenster steht. »Wie lange wohnen Sie schon hier?«
»Erst seit sechs Wochen. Davor habe ich in Amsterdam gewohnt, in einem Abbruchhaus. Da war ich ein halbes Jahr lang, deshalb kann ich mir jetzt etwas leisten, das Miete kostet.«
»Mietfreies Wohnen scheint wichtig für Sie zu sein. Ist es so schwierig, mit Ihrer Kunst über die Runden zu kommen?«, fragt Lois.
»Ja, leider ist das so. Manchmal verkaufe ich ein paar Bilder auf einmal und hab dann eine Weile keine finanziellen Sorgen, aber es gibt auch Zeiten, in denen ich monatelang nichts verkaufe. Und dann ist es gut, keine hohen Fixkosten zu haben.«
»Wie finden Sie Käufer für Ihre Bilder?«
»Auf unterschiedliche Weise. Ich biete meine Arbeiten im Internet an, aber auch über eine befreundete Galeristin, die mich vertritt und immer wieder mal Ausstellungen organisiert.«
»Wir haben gehört, dass Sie häufig umziehen. Bringt das für eine Künstlerin nicht zu viel Unruhe mit sich?«, fragt Lois.
»Künstler sind von Natur aus unruhige Geister, viele jedenfalls. Für manche ist ein fester Wohn- und Arbeitsort wichtig, die meisten aber brauchen Abwechslung, um inspiriert zu bleiben.«
»Woher kommen Sie ursprünglich?«, erkundigt sich Fred.
»Ich bin hier in Alkmaar geboren und aufgewachsen, lebe jetzt also wieder in meiner Heimatstadt.«
»Welche Schule haben Sie besucht?«
»Die Gesamtschule in Bergen.«
Fred notiert sich beides und fragt dann: »Haben
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